Hagelsturm und Schildkröte: Das dynamische Duett

Die Paartherapeuten Sabine und Roland Bösel wollen nach 30 Jahren Ehe nur weitergeben, was sie selbst leben. Foto:Stefan Liewehr
Die Paartherapeuten Sabine und Roland Bösel wollen nach 30 Jahren Ehe nur weitergeben, was sie selbst leben. Foto:Stefan Liewehr

Ein Interview mit den Paartherapeuten Sabine und Roland Bösel.


Sie beantworten Fragen wie z.B. Wie und warum sucht man sich einen beziehungsweise seinen Partner aus?, Woher weiß man, dass es Liebe ist?, Eine Affäre: Warum passiert das? Wie kann es zur Chance werden?, ...

lebensweise: Wie und warum sucht man sich einen beziehungsweise seinen Partner aus?

Sabine Bösel: Aus der Hirnforschung weiß man, dass ein Großteil der Partnerwahl unbewusst abläuft. In unserer Seele tragen wir eine Art inneres Partnerbild: Hat ein Mensch ähnliche Erfahrungen im Leben, vor allem in der Kindheit gemacht, checkt unser Unterbewusstsein schnell ab, ob es ein Seelenverwandter ist. Trifft das zu, reagiert man physisch, etwa mit Herzklopfen, Schweißausbruch und ähnlichem; man hat das Gefühl, diesen Menschen schon lange zu kennen. Auch richtet sich unsere unbewusste Partnerwahl danach, ob wir einen Menschen als faszinierend erleben, nämlich in Eigenschaften, die wir selbst vielleicht nicht leben. Das Tragische ist, dass wir diese Eigenschaften in der Verliebtheit besonders attraktiv finden und Monate oder Jahre später ablehnen oder gar bekämpfen. Es geht darum, sich bewusst zu machen, warum man sich genau seinen Partner ausgesucht hat: Dazu muss man der Seelenverwandtschaft auf die Spur gehen und vielleicht auch die Gegensätze, die mein Partner verkörpert und die ich vielleicht nicht lebe, beleuchten.


lebensweise: Woher weiß man, dass es Liebe ist?

Roland Bösel: Liebe bemerkt man erst nach der Verliebtheit. Dann nämlich, wenn man bereit ist, sich aktiv für die Liebe zu engagieren. Liebe ist keine Beschreibung eines Zustands, sondern eine Form der Aktivität. Wenn ich bereit bin, mich entsprechend einzulassen, Neues zu probieren, Risiken einzugehen und dem Partner zuzuhören, dann ist es Liebe.


lebensweise: Eine Affäre: Warum passiert das? Wie kann es zur Chance werden?

Sabine Bösel: Affären entstehen vor allem dann, wenn zu viel Energie aus der Beziehung hinausgeht und sich zumindest einer von beiden in der Beziehung nicht mehr wohl fühlt und das Abenteuer im Außen sucht. Eine Affäre, die offiziell wird, muss nicht das Ende bedeuten, sondern kann die Chance für einen Neubeginn sein. Wichtig ist, dass keiner der drei Beteiligten eine überhastete Entscheidung trifft, sondern, dass alle bedacht vorgehen, was in der Situation selbst natürlich eine große Herausforderung ist. Auch wir haben in unserer Beziehung Affären erlebt. Rückblickend gesehen war die Bewältigung dieser Krisen die Basis unserer heutigen besonderen Beziehung. Fest steht aber: Eine Affäre ist eine Belastungsprobe. Wir haben schon viele Paare begleitet, die diese Situation gemeistert haben: d.h. dass sie entweder einen guten Abschied gefunden haben und somit ein Neubeginn mit der dritten Person gestartet werden konnte oder, dass die alte Beziehung in eine neue Form gefunden hat.


lebensweise: Sexualität: Oft nimmt das Feuer ab. Warum ist das so? Wie kann man es neu entfachen?

Roland Bösel: Jedes Paar hat grundsätzlich alles, um eine befriedigende, schöne Sexualität zu leben. Dennoch: Wenn nackte Haut auf nackte Haut kommt, werden spätestens nach der Verliebtheit tiefe Wunden und alte Verletzungen sichtbar. Sexualität ist keine Frage von Fertigkeiten, sondern von Verbindung und Sicherheit. Und die schafft man durch Kommunikation. Oft braucht das Zeit. Doch diese Geduld wird nicht selten belohnt mit einer Sexualität, die man sich vorher niemals erträumt hätte.


lebensweise: Was sind die häufigsten Schwierigkeiten in Beziehungen?

Sabine und Roland Bösel: Fehlende Kommunikation und mangelndes Vertrauen. Dadurch entweicht dann langsam aber sicher die Energie aus der Beziehung – und fließt in etwas anderes wie Arbeit, Prestige, Kinder und dergleichen.


lebensweise: Was wünschen sich die Menschen heute von einer Beziehung?

Sabine Bösel: Vertrauen, Kommunikation und Abenteuer. Wenn Paare sagen „Wir haben uns auseinandergelebt“, ist es ein Zeichen dafür, dass diese drei Werte verloren gegangen sind. Die Lösung: Ärmel hochkrempeln und wieder beginnen zu kommunizieren.


lebensweise: Sprache für Gefühle finden – kann man das lernen? Reden Frauen mehr oder sprechen Männer weniger?

Roland Bösel: Wir unterscheiden nicht so sehr zwischen Frauen und Männern. Es geht vielmehr um den Energiefluss. In jeder Beziehung gibt es einen Partner, der die Energie mehr nach außen bringt und im Stressfall angreift oder flüchtet während der andere die Energie mehr nach innen bringt und in Stresssituationen erstarrt oder sich unterwirft. Wir nennen das „Hagelsturm“ und „Schildkröte“. Es geht darum, das dynamische Duett zu erforschen – frei nach dem Motto „Nur was ich wahrnehme, kann ich auch verändern.“


lebensweise: Welche Botschaft senden Sie mit Ihrem Buch?

Sabine und Roland Bösel: Niemand scheidet sich von seiner Mutter, seinem Vater, seinen Kindern – und doch scheiden sich viele vom Partner. Das schafft nicht nur Leid beim ehemaligen Partner; auch wir selbst leiden. Wer glaubt, sich vom Problem trennen zu können indem er sich von der Person trennt, der irrt. Man nimmt das Problem nämlich mit in die nächste Beziehung. Mit dem Buch zeigen wir, dass das Dranbleiben ein Wert ist. Dass es sich lohnt, nicht gleich alles hinzuschmeißen.

 

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