Liebe ist keine Glückssache

Konflikte bergen immer auch kreative Energien, da die eigene Lebensgeschichte dahinter steckt. Die Imago-Therapie rät zu einer verbesserten Kommunikation in der Partnerschaft. Foto:www.istockphoto.com/digitalskillet
Konflikte bergen immer auch kreative Energien, da die eigene Lebensgeschichte dahinter steckt. Die Imago-Therapie rät zu einer verbesserten Kommunikation in der Partnerschaft. Foto:www.istockphoto.com/digitalskillet

Gibt es eine Schutzimpfung gegen Trennung? Vitamine mit Harmonie-Wirkung oder Injektionen für erfüllten Sex? Patentrezept für gelingende Partnerschaften gibt es keines. Österreichs Vorzeige-Paartherapeuten Sabine und Roland Bösel versuchen ihr Bestes. Jetzt auch in Buchform.

Von Berit Freutel

Mit der Liebe ist das so eine Sache. So gerne würde der Mensch sie erklären und verstehen. Dieses unsagbar schöne Gefühl festhalten. Sie in Worte zu kleiden ist eine Methode, sich dem Rätsel der Liebe zu nähern. Unzählige Schmachtromane und Sachbücher; romantische und philosophische Abhandlungen drehen sich rundum das rosarote Feeling mit Suchtpotential. Und machen uns schwindelig. Die Zahlen jedoch wirken ernüchternd: In Österreich liegt die Scheidungsrate im Jahr 2009 bei 46 Prozent. Die meisten Trennungen gab es dabei in Wien (53,8%); die wenigsten in Tirol (38%). Das mittlere Scheidungsalter lag bei Männern bei 42,9 Jahren; Frauen sind im Schnitt 40,3 Jahre alt, wenn sie erneut als Single in die zweite Runde gehen. Soweit die nackten Fakten. Und die machen nicht gerade Lust auf lebenslänglich. Fest steht: Der Traum in Weiß ist nichts für Schwarzseher. Das findet auch Deutschlands Star-Philosoph Richard David Precht: „Männer und Frauen fordern heute von einer Beziehung, dass sie Leidenschaft und Verständnis, Aufregung, Geborgenheit und Sicherheit bietet. Das ist eine Quadratur des Kreises.“

            Trotzdem wollen es alle schaffen. Und wenn nicht mit dem einen Partner, dann eben mit dem Nächsten. Oder mit dem Übernächsten. Wir leben in einer Beziehungs-Wegwerf-Gesellschaft. Fast Food & Fast Love. Und genau an dieser Stelle setzen die Paartherapeuten Bösels an. In ihrem neuen Buch „Leih mir Dein Ohr, und ich schenk Dir mein Herz“ ermutigen Sabine und Roland Bösel die Menschen, nicht gleich das Handtuch zu werfen, wenn es in der Beziehung kriselt.

            Ihr Versprechen: „Jedes Paar trägt alle Qualitäten in sich, um glücklich und leidenschaftlich zu lieben und zu leben.“ Die beiden müssen es wissen: schließlich sind sie Österreichs Vorzeige-Therapeuten der Imagomethode und darüber hinaus 30 Jahre lang miteinander verheiratet. Ihr Trick klingt simpel: „Dranbleiben“. Und reden!


Reden ist Gold

Die Sache mit dem Reden hat nur einen Haken: Während nämlich Frauen am Tag rund 23.000 Wörter über die Lippen bringen, schaffen Männer gerade mal die Hälfte. Das fand die deutsche Psychologin Konstanze Fakih in einer Umfrage heraus. Schuld ist dabei nicht einmal der mangelnde Wille der Herren, sondern ihr Gehirn.

            Das wiederum behaupten die amerikanischen Kommunikationsexperten und Bestseller-Autoren Barbara und Allen Pease („Männer zappen und Frauen wollen immer reden“). Während die rechte Gehirnhälfte der Männer nach getaner Arbeit Ereignisse des Tages verarbeite, stelle die für Reden und Zuhören verantwortliche linke Hirnhälfte vorübergehend den Betrieb ein. Und den Fernseher an. Dies sei dann auch der Grund für die Wortkargheit vieler Männer nach Feierabend. Soweit plausibel. Aber den Bösels als Ausrede zu wenig.

            Reden kann man ebenso wie Zuhören lernen. Die von den Amerikanern Harville Hendrixund seiner Frau Helen Hunt entwickelte Imago-Methode zeigt Paaren wie: Es geht darum sein Gegenüber zu verstehen und die Hintergründe seines bzw. ihres Tuns zu begreifen. Die Methode besteht im wesentlichen daraus, dass ein Partner redet und der andere das Gehörte wiederholt – und umgekehrt. Durch das Wiederholen der Gefühle des anderen kann man sich besser in seine Situation hineinversetzen, man entwickelt Verständnis und Empathie.


Entdeckungsreise im Land des Anderen

Imago geht davon aus, dass wir unseren Partner nicht zufällig aussuchen: Unbewusst wählen wir genau den Partner, mit dem wir die Verletzungen aus der Kindheit „heilen“ können. Unser so genanntes „Imago-Match“ ist bestens dafür geeignet dem anderen beim Wachstum und bei der Heilung zu helfen – weil er oder sie den wichtigsten Bezugspersonen aus der Kindheit mehr oder weniger sichtbar ähnlich ist. Imago leitet sich vom lateinischen Wort „Bild“ ab: Im Wesentlichen ist unser Partner ein zusammengesetztes Ebenbild von Mutter und/oder Vater bzw. den Menschen, die uns beeinflusst haben.

            So gesehen ist jede Beziehung Therapie. In 13 Kapiteln geben die Bösels in ihrem neuen Buch praktische Tipps, wie man auf Entdeckungsreise im Land des anderen gehen und miteinander besser kommunizieren, leben und natürlich lieben kann. Von A wie Affäre bis Z wie Zukunftsvisionen.

            Merke: Konflikte bergen immer auch kreative Energien. Wenn ein bestimmtes Verhalten des Partners wieder und wieder nervt, kann man sich sicher sein: Es steckt ein Teil der eigenen Lebensgeschichte dahinter. Es lohnt sich, der Sache auf den Grund zu gehen. In sich hineinzuhorchen: Welches Gefühl taucht auf? Erinnert es an Situationen aus der Kindheit? Schließen Sie die Augen und spüren Sie, was der Wunsch an Ihren Partner wäre – wer diesen dann konstruktiv als Bitte formulieren kann, hat schon so gut wie gewonnen. So hat das Gegenüber eine Chance – und Liebe und Beziehung können wachsen und gedeihen.

            Wer sofort starten will, beherzigt das einfachste Imago-Gebot – die „5:1-Regel“: Jede negative Verhaltensweise, jede Kritik oder Kränkung braucht immer fünf positive Aktionen, um das Beziehungslot wieder auszutarieren. Das kann ein Kompliment sein oder ein selbst gekochtes Diner. Oder ein hübsch verpacktes Buch, aus dem man sich Gute-Nacht-Geschichten vorliest.

 


Die Autorin: Berit Freutel hat 18 Jahre Erfahrung als Beauty-, Fashion und Lifestyle-Journalistin in Deutschland und Österreich u.a. für Kurier, News, Wiener, Hitradio Ö3, ATV und SAT1 Österreich.

 

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