Öl, das unter die Haut geht

Neben dem wohltuenden Effekt kommen bei Ölmassagen auch die Gedanken zum Stillstand. Foto:www.fotolia.com/Ansgar Riedel
Neben dem wohltuenden Effekt kommen bei Ölmassagen auch die Gedanken zum Stillstand. Foto:www.fotolia.com/Ansgar Riedel

Massagen unter Zuhilfenahme von Ölen wirken auf vielfältige Art und Weise: Einerseits sorgen die Öle für Geschmeidigkeit der Haut und helfen zu entspannen, andererseits werden Kräuterölen positive Wirkungen bis hin zu einem antioxidativen Effekt auf der Zellebene nachgesagt.

Von Linda Kappel

Wer hat nicht das Bild des ayurvedischen Ölgusses über die Stirn des Klienten vor seinen Augen, wenn von Öl-Massagen gesprochen wird? Öle – mit Kräutern oder Essenzen versetzt oder ohne – werden zwar meist auch bei der klassischen Massage verwendet, doch haben in den vergangenen Jahren spezielle Massage-Techniken, bei denen Öle eine tragende Rolle spielen, zusehends Verbreitung auch in Österreich gefunden. Dies gilt zuallererst für Ayurveda-Behandlungen. Aber immer häufiger ist auch von der Lomi Lomi Nui-Methode die Rede oder von der Raindrop-Technik. Relativ neu ist auch die Integrative Gestalt Massage (IGM), die von der österreichischen Gestalttherapeutin Anna Maurer entwickelt wurde.

            „Ähnlich wie Akupunktur vor etwa 20 Jahren ist nun Ayurveda im Kommen”, ist Michael Gindl, Arzt und Ayurveda-Spezialist mit Praxis in Wien, überzeugt. Ayurveda-Behandlungen mit warmen Kräuterölen sind fester Bestandteil der Ayurveda-Medizin, einer Form der Heilkunde, die aus Indien stammt, und auf eine 5.000 Jahre alte Tradition zurück blicken kann. Ayurveda sei die Wissenschaft vom „guten, langen“ Leben, sagt Renata Mörth, gelernte Pharmazeutin und Begründerin des Ayurveda-Vereins Nexenhof. Sie hat als Körper-Psychotherapeutin über lange Jahre im psychoonkologischen Bereich gearbeitet. Dabei ist sie mit der indischen Energie- und Vorsorgelehre in Berührung gekommen. Nach deren Studium in Indien hat sie vor 15 Jahren begonnen, im historischen Gutshof Nexenhof im Weinviertel Ayurveda-Behandlungen anzubieten.

            Bei einer Ayurveda-Massage werden reinste Kräuteröle etwa eine Stunde in den Körper einmassiert. Je nach Konstitution des Menschen – die ayurvedische Lehre unterscheidet die drei Haupttypen Vata, Pitta, Kapha sowie Mischformen –wird aus verschiedenen Kräuterölen speziell eines für den Klienten gewählt. Dabei kann ein Klient aus einer Vielzahl von Behandlungen mit unterschiedlicher Zielsetzung auswählen: Dazu zählen etwa eine spezielle Ganzkörperbehandlung (Marma Abhyanga), bei der Vitalpunkte stimuliert und aktiviert werden, ein so genannter Rückeneinlauf (Khadi Vasti), wo eine warme Ölwanne auf den schmerzenden Bereich gesetzt wird, oder eine Ganzkörperanwendung (Abhyanga), wo anschließend in der ayurvedischen Schwitzkiste oder Swedabox geruht werden kann. Es gibt aber auch spezielle Anwendungen nur für Gesicht und Oberkörper oder eine Bein- und Fußmassage mit Ghee (Butterschmalz). Als krönender Abschluss kann noch der Stirnguss (Shirodhara) erfolgen.

            Die Behandlungen wirken auf Durchblutung, Lymphe und Nervensystem. Dies sei Erfahrungswissen, meint Gindl. Ihm zufolge nimmt die menschliche Haut dabei bis zu einem Viertel Liter Kräuteröl auf, das so seine Wirkung im Bindegewebe und in den Muskeln und Gelenken entfalten könne. „Das geht bis auf die Zellebene, wo die Zellmembran umhüllt wird, und so kommt es zu einem antioxidativen Effekt“. Aus diesem Grund sei es von größter Bedeutung, dass die Öle „echte, reine“ Öle auf Naturöl-Basis (beispielsweise Sesam- oder Kokos-Öl) sind, wo die Kräuter mitgekocht werden. Sie werden vor der Auftragung auf 40 Grad Celsius oder mehr erwärmt. „Im Winter muss man achtgeben und sich nach der Behandlung warm halten und schützen, sonst besteht Erkältungsgefahr“, macht Gindl aufmerksam. Neben dem wohltuenden und entspannenden Effekt, der vor allem dabei eintritt, wenn das warme Öl die Stirn herabfließt und die Gedanken dabei zum Stillstand kommen lässt, könne es laut Gindl aber immer wieder auch passieren, dass Wahrnehmungen und Erlebnisse auf der seelischpsychischen Ebene hochkommen. Interessenten sollten dies daher auch bei „Wohlfühl“-Öl-Behandlungen bedenken und genau prüfen, in wessen Hände sie sich begeben.

            Einen Anhaltspunkt liefern das heimische Gewerberecht und das so genannte MMHmG, also das Medizinische Masseur- und Heilmasseurgesetz. Auf der rechtlich sichersten Seite ist man daher wohl beim medizinischen Masseur, der klassische Massage, bei Packungsanwendungen, Thermotherapie, Ultraschalltherapie und Spezialmassagen zu Heilzwecken nach ärztlicher Anordnung unter Anleitung und Aufsicht eines Arztes oder eines Angehörigen des physiotherapeutischen Dienstes sowie beim Heilmasseur, der dieselben Dienste eigenverantwortlich zu Heilzwecken nach ärztlicher Anordnung anbieten darf. Gewerberechtlich in der Massage-Verordnung geregelt ist weiters das Berufsbild des Ayurveda-Wohlfühl-Praktikers mit dem erforderlichen Ausbildungsprofil.


Spezielle Ausbildung in Europa

Ayurveda-Practitioner arbeiten demnach ausschließlich am gesunden Menschen und müssen für diese Arbeit eine umfangreiche dreijährige Ausbildung absolvieren. Die Ausbildungsstellen orientieren sich an der vom heimischen Beirat für Traditionelle Asiatische Medizin (TAM)* festgelegten Gesamtdauer von 675 Stunden. Die Inhalte umfassen Ayurveda-Theorie, Ayurveda-Wohlfühlanwendungen und deren Techniken, Ernährungslehre nach ayurvedischen Prinzipien, Persönlichkeitsentwicklung und Schulung der Wahrnehmung (Yoga, Meditation, Atemschulung), schulmedizinische Grundlagen sowie 150 dokumentierte Ayurveda-Anwendungen. „Das ist in Europa einmalig“, betont TAM-Beirats-Mitglied Mörth.

            „Aber auch Energetiker dürfen grundsätzlich mit Öl arbeiten“, klärt Wolfgang Pitzl, Koordinator der Ausbildungslehrgänge am WIFI Salzburg, auf. In Abgrenzung zum gewerberechtlichen Masseur dürfen Energetiker dabei aber keine Wirkung im Bereich der Hautdurchblutung beispielsweise durch Wärme- oder Kältereize dadurch einsetzende Hautrötung erzielen. Öl-Anwendungen wie etwa bei der hawaiianischen Methode Lomi Lomi Nui fallen demnach unter das freie Gewerbe der Energetik, wo es um „Hilfestellung zur Erreichung einer körperlichen oder energetischen Ausgewogenheit“ geht. Die Ausbildungen zum Lomi Lomi Nui-Practitioner sind daher nicht einheitlich. Beim Anbieter Fachschule für Medizinische Masseure und Heilmasseure Dr. Franz Reinisch GesmbH, St. Radegund (Schloss-Schule), heißt es im Kurs-Programm etwa, dass „eine Ausübung der Lomi bei entsprechendem Bewusstseins-Stand schon nach dem ersten Wochenblock denkbar und möglich ist“. In Summe umfasst die Ausbildung jedoch drei Wochenblöcke zu je 40 Stunden. Als seriöser Anwender hat man jedenfalls höchstes Interesse daran, nur jene Handlungen auszuführen, bei denen man sich sicher fühlt. Als Klient sollte man in einem Vorgespräch alle Bedenken vorbehaltlos thematisieren.

            Die aus der hawaiianischen schamanischen Heilarbeit („Huna“) stammenden Lomi Lomi-Anwendungen verstehen sich wie Ayurveda als ganzheitliche Methode. „Lomi Lomi Nui wird auch hawaiianische Tempelmassage genannt. Es ist eine rituelle, ganzheitliche, von hawaiianischer Musik begleitete Körperarbeit“, erklärt die Energetikerin Sonja Gabriel. „Man unterscheidet zwischen der strikteren Lomi Lomi-Form, wo mehr Augenmerk auf die Technik gelegt und die Abfolge bestimmter Griffe strikter eingehalten wird und dem freieren Lomi Lomi Nui“, so Gabriel. Bei dieser tänzerischen Berührungsform werde der gesamte Körper mit Ausnahme des Intimbereiches, der mit einem Tuch zugedeckt bleibt, mit reichlich Öl behandelt, wobei selbst die Oberfläche des Behandlungs-Tisches eingeölt wird. Gabriel verwendet dazu Pflanzen- oder Nussöle wie Macadamia-, Mandel- oder Avocadoöl, das vor Beginn der Einheit angewärmt wird. Sanfte, langsame sowie dynamische Berührungen wechseln einander ab oder können auch gleichzeitig – bei vierhändigen Behandlungen – stattfinden. Im Kern geht es um das menschliche Prinzip und Bedürfnis, achtsam angenommen zu werden, ganz so wie man ist.


Von Psychotherapie geprägte Massage - IGM

Das Vertrauen in die eigenen Sinne und das Körperempfinden stehen bei der IGM Körpertherapie (IGM = Integrative Gestalt Massage) nach Anna Maurer im Vordergrund. Maurer ist Lehrtherapeutin für Integrative Gestalttherapie beim Institut für integrative Gestalttherapie. Bei dieser geht es vor allem um das Hier und Jetzt, um den Augenblick der Begegnung. „Im Einklang mit der Atmung des Klienten berühre ich sanft, aber bestimmt, den ganzen Körper von den Fußsohlen bis zum Scheitel mit meinen Handflächen“, erklärt Maurer. Der Mensch mit seiner Geschichte, die ihn geformt hat, soll wahrgenommen werden, seine Temperatur, energetische Ladung, Konsistenz, Oberflächenbeschaffenheit und Reaktionsbereitschaft. „Meine innere Antwort auf ihn drückt sich in der Berührung aus“, sagt Maurer.

            Auch bei der IGM-Körpertherapie wird unter Einsatz von Ölen intuitiv behandelt, mit dem Ausatmen des Klienten tief in den Körper gegangen, es wird rhythmisch gegriffen, beruhigend oder harmonisierend über den Körper gestreift. Nach etwa einer Stunde Massagezeit wird die Klientin oder der Klient in ein angewärmtes Handtuch eingehüllt und zum Abschluß noch einmal am ganzen Körper berührt. Nach einer kurzen Ruhepause, die Zeit zum Nachwirken lässt, wird abgeölt. Die wieder munter machenden Griffe holen einen in den Alltag zurück.

            Wesentlich bei Maurers Methode ist, dass auch Raum bleibt, die während der Massage aufgetauchten Körperempfindungen, Gefühle und innere Bilder zu besprechen und in den biografischen Hintergrund einzubetten. Die IGM ist demnach geprägt von Maurers psychotherapeutischem Wirkungsbereich. Bei der Raindrop Technik steht die Massage der Rückenmuskulatur mit ätherischen Kräuterölen im Vordergrund, die den Stoffwechsel anregen und den Heilungsprozess entzündeter oder verkürzter Muskeln unterstützen soll. Hier wird vor allem auf die Kraft der Pflanze, auf den therapeutischen Effekt durch das Eindringen der pflanzlichen Wirkstoffe in die Muskulatur gesetzt. Die Anwender gehen davon aus, dass sich in der Rückenmuskulatur viele Viren und Bakterien einnisten, die sogar Fehlstellungen der Wirbelsäule bewirken können. „Es geht um den Energieausgleich im Körper“, erklärt Alice Eisler, die als Energetikerin Raindrop-Energetic-Anwendungen durchführt.

            Ganz sanfte Berührungen verschaffen dem Körper eine Art Gänsehaut-Effekt, in Folge dessen entschlackende oder entgiftende Prozesse einsetzen können. „Ganz wesentlich ist, dass die Öle 100 Prozent reine ätherische Öle und keine Mogelpackung sind“, so Eisler. Verwendete Kräuter sind etwa Oregano, Thymian, Basilikum, Wintergrün, Zypresse, Majoran und Pfefferminze. Die Methode geht auf den US-Amerikaner Gary Young zurück, der auch die dafür benötigten Öle herstellt, die unter der Marke Young Living Essential Oils erhältlich sind.

 


 

Wer was darf und was es kostet

Das Medizinische Masseur- und Heilmasseurgesetz regelt den Tätigkeitsbereich der medizinischen Masseure und Heilmasseure. Der gewerbliche Masseur darf zwar klassische Massage, Reflexzonen-, Segment-, Bindegewebsmassage etc. anwenden, jedoch keine Heilbehandlungen durchführen und nur am gesunden Menschen arbeiten. Die Massageverordnung (BGBl II Nr. 68/2003) wurde im Jahr 2009 erweitert. Die Ausübung von ganzheitlich in sich geschlossenen Systemen wie Shiatsu, Ayurveda-Praktik, Tuina An Mo-Praktik und sonstigen derartigen Systemen ist nur zulässig, wenn dafür die gesetzlich festgelegten zusätzlichen Qualifikationen nachgewiesen werden, sagt der Gesetzgeber.

            Für Energetiker unzulässig sind Tätigkeiten, die sich nicht im bloß vollflächigen Handauflegen (ohne Ausübung eines Drucks) erschöpfen, sondern die in über die Körperoberfläche streichenden, knetenden, massierenden oder (sanften) Druck (Akupunktmassage) auf bestimmte Körperstellen ausübenden manuellen oder apparativen Manipulationen mit oder ohne Anwendung von Hilfsmitteln (z.B. öligen Substanzen) zu Therapiezwecken bestehen.

            Die Kosten für die jeweiligen Wohlfühl-Stunden sind sehr unterschiedlich angesetzt und bewegen sich von 55 € für 60 bis 90 Minuten bis über 100 €, abhängig auch von der Dauer, die über mehrere Stunden reichen kann. Grundsätzlich lässt sich sagen, dass die Behandlungen im ländlichen Raum günstiger als in Wien sind und in Hotels zumeist teurer als in freien Praxen.

 

 

Die Autorin: Linda Kappel arbeitet seit 20 Jahren als Journalistin u.a. für Der Standard, Wirtschaftsblatt, Format. Sie ist Chefredakteurin bei Fachmagazinen.

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