Lebe, was Du bist

Petra Zizenbacher: Allgemeinmedizinerin, Kräuterfachfrau und Expertin für komplementäre Heilmethoden.    Foto: Zizenbacher
Petra Zizenbacher: Allgemeinmedizinerin, Kräuterfachfrau und Expertin für komplementäre Heilmethoden. Foto: Zizenbacher

 

Gegen jede Krankheit ist ein Kraut gewachsen. Die Ärztin Petra Maria Orina Zizenbacher scheint mit jedem von ihnen per Du zu sein – und verbindet ihr schulmedizinisches Wissen mit Naturheilkunde.

 

Von Felicitas Freise

Wer zu Petra Maria Orina Zizenbacher möchte, muss sich an den südlichen Rand von Wien begeben. Dorthin, wo die Stadt in bewaldete Hügel übergeht, wo das Urbane dörfliche Züge annimmt und die meisten Häuser inmitten von Gärten liegen. So auch die sonnengelbe Villa, in der die Ärztin für Allgemeinmedizin praktiziert. Was irgendwie selbstverständlich ist, denn Petra Zizenbacher hat sich auf natürliche Heilverfahren spezialisiert und besonders auf Pflanzenheilkunde.

 

Auch wenn es noch winterlich ist, lassen viele sorgfältig angelegte und liebevoll beschriftete Beete etwas von der Kräuter- und Blumenvielfalt erahnen, die hier im Frühjahr herrschen wird. Dass die Pflanzen während der kalten Jahreszeit Pause machen, scheint nur dem Laien so. Mit Vorfreude zeigt die Ärztin in die Mitte der Kräuterspirale, wo sich das Johanniskraut für seinen Auftritt in diesem Jahr bereit macht: „Kräuter gibt es immer, jede Jahreszeit hat ihre eigenen Kräuter.“ Doch das ist nur einer der vielen Aspekte, die Petra Zizenbacher begeistert. „Pflanzen sind faszinierend, sie sind unberechenbar, lustig, widerstandsfähig, treu und nicht nachtragend, wenn man einmal nicht so gut mit ihnen umgeht“, sagt sie mit derselben Liebe, mit der man über Herzensfreunde spricht. „Sie bringen mich immer wieder zum Staunen, zum Beispiel durch ihre Lernfähigkeit. Ich habe am Zaun Schilfmatten angebracht und begonnen, den Efeu, der dort wächst, hinein zu flechten und habe bemerkt, dass er an anderen Stellen des Zauns jetzt von selbst hochwächst.“

 

Welch vielfältige Bereicherung Pflanzen für den Menschen darstellen, wird einem in der ganzen Bandbreite auch erst durch Petra Zizenbachers Erklärungen bewusst: „Pflanzen nähren und heilen uns, sie kleiden und wärmen uns – wie etwa Leinen- oder Hanfkleidung – wir können uns mit ihnen waschen oder färben und sie sprechen alle unsere Sinne an, weil sie duften, schmecken, rascheln, sich gut anfühlen oder wunderschön aussehen.“

 

Die gebürtige Wienerin ist zwar in Niederösterreich aufgewachsen, umgeben von vielen Tieren, aber in den 1970er Jahren war in der Medizin – vor allem auf dem Land – noch keine Rede von komplementären, ganzheitlichen Methoden. Es waren Freunde, welche die Heranwachsende mit spirituellen Denk- und Heilweisen, die mittlerweile in viele schulmedizinische Arztpraxen Einzug gehalten haben, vertraut machten. „Ich kam damals in Kontakt mit Hildegard-Medizin, Schüßler-Salzen, Bachblüten und Fußreflexzonen-Massage. Bevor ich noch angefangen habe, Medizin zu studieren, habe ich Mitschnitte von Vorträgen von Rüdiger Dahlke und Thorwald Dethlefsen gehört und mich mit den Tönen von Planetenbahnen auseinandergesetzt. Das war so meine Freizeitbeschäftigung.“

 

Gegen jede Krankheit ist ein Kraut gewachsen

Ein „Schlüsselerlebnis“ in Sachen Pflanzen hatte sie als Neunzehnjährige: „Es war an einem Septemberabend, ich hatte einen Unfall, lag im Wald und wartete auf die Rettung. Ich hatte Schmerzen und habe Kräuter zerbröselt. Und es war ein Kraut dabei, das herrlich gerochen und mich beruhigt hat. Später bin ich es suchen gegangen und bin drauf gekommen, das war Quendel. In dem Moment war es zwar eine sehr schlimme Erfahrung, aber ich habe zugleich das Gefühl bekommen, es wird alles wieder gut. Es war, als hätte mir das der Quendel zugeflüstert und in mir das Wissen bekräftigt: Gegen jede Krankheit ist ein Kraut gewachsen.“

 

Diese Liebe zu den Pflanzen und der Pflanzenheilkunde waren ausschlaggebend für ihre Entscheidung, Medizin zu studieren. Die Möglichkeit, auf legale Weise heilend mit Pflanzen tätig sein zu können, war nur über den Weg des Medizinstudiums erreichbar. Dass man es als Querdenkerin nicht nur gegenüber dem medizinischen System und den Patienten, sondern auch gegenüber den befreundeten Kommilitonen schwer hat, erfuhr sie am eigenen Leib. „Ich war damals schon Vegetarierin, habe auf Vollwertkost und einen anderen Zugang zur Gesundheit gesetzt, woraufhin mir meine Mitstudenten prophezeit haben, ich würde schon irgendwann eine gescheite Medizin machen“, erinnert sie sich lachend.

 

Doch nach Abschluss ihres Medizinstudiums in Wien, dem Turnus im Krankenhaus Neunkirchen und der Notarztausbildung blieb sie unbeirrt auf ihrer Linie der komplementären Heilmethoden. Ausgelöst durch ihren eigenen Unfall, von dem sie einen versteiften Ellbogen zurückbehalten hatte, mit dem die Schulmedizin sie als „geheilt“ entlassen hatte, begann sie, sich mit Chiropraktik, Narbenentstörung und Meridianlehre zu befassen. Zizenbacher: „Damals gab es keine Rehabilitation für Jugendliche, und mit einer gut verheilten Wunde war quasi die Aufgabe des Arztes erfüllt. Ich war auf mich selbst zurückgeworfen mit dem Wunsch, den Arm wieder bewegen zu können und dadurch habe ich begonnen, mich mit weiterführenden Therapien zu befassen.“

 

Das aktive Tun und die Eigenverantwortung des Patienten liegen ihr – spätestens seit dieser Erfahrung – ebenso am Herzen wie sie ihr medizinisches Credo darstellen: „Die Heilung wird an den Arzt delegiert, dabei versteht niemand den Körper besser als der Betroffene selbst. Der Mediziner sollte daher nur Hilfestellung geben und die Rolle des Vermittlers oder Übersetzers einnehmen. Niemand ist hilflos seiner eigenen Krankheit ausgeliefert. Das beweisen mir meine Patienten Tag für Tag aufs Neue. Jeder Person steht die Möglichkeit offen, den für sie passenden Ansatz zu finden. Das ist ja auch ein Motiv aus vielen Märchen: Wer wirklich sucht, der findet immer. Doch zu viele Menschen geben sich mit vorgefertigten Meinungen zufrieden und hinterfragen sie nicht oder delegieren die Lösung ihrer gesundheitlichen Probleme an ihren Arzt. Von den Patienten, die sich von mir begleiten lassen wollen, erwarte ich daher aktive Mitarbeit.“ Auch mit einem anderen weit verbreiteten Irrtum räumt Petra Zizenbacher energisch auf: „In jeder Phase des Lebens sind Veränderungen möglich. Sobald man bereit ist, an sich selbst eine Veränderung zuzulassen, ist diese möglich.“ Freilich ist das mit Aktivität und Aufmerksamkeit verbunden. Einmal mehr treffen sich verschiedene  Welten, denn ebenso verhält es sich mit den Pflanzen in einem Garten. Während für den einen das Gärtnern Arbeit und Aufwand bedeutet, bedeutet es für den anderen Freude und Reichtum.

 

Mit ihrem Haus und Garten in Kalksburg hat sich die Ärztin 2006 einen Lebenstraum erfüllt. Nach zehnjähriger Tätigkeit in der eigenen Praxis in der Wiener Innenstadt zeichnete sich immer klarer ab, dass es Zeit wurde, weiter in die Natur hinaus zu gehen: „Ich mache seit etlichen Jahren mit Interessierten Pflanzenwanderungen, und das wurde immer schwieriger mit der Innenstadtlage, weil mir die Grundlage entzogen wurde, indem etwa die Gärtner in den Parks die Wiesen gemäht haben oder ein Feld verbaut wurde.“ Ihr „eigenes Grün, in das niemand hineinpfuscht“, hat sie per Zufall gefunden und angesichts des etwa hundertjährigen Wacholderbaumes hinter dem Haus gewusst „da möchte ich hinziehen.“ Mittlerweile ist ihre Praxis zu einem lebendigen Begegnungsort für Patienten, Freunde und Interessierte geworden, an dem nicht nur verschiedene naturheilkundliche (Regulations-)Methoden angeboten werden, sondern auch regelmäßig Feste mit Musik und Tanz gefeiert werden.

 

Wissensvermittlung in zahlreichen Büchern und Kursen

Ihre Begeisterung für Kräuter gibt die Allgemeinmedizinerin seit vielen Jahren auch in Büchern und Kursen weiter, vertiefendes Wissen in einer zweijährigen Heilpflanzen-Ausbildung. Im ersten Jahr werden Kenntnisse um die Pflanzen und deren heilbringende Wirkung durch einen Jahreszyklus hindurch vermittelt. Der zweite Teil beschäftigt sich mit der praktischen Anwendung der Kräuter bei Beschwerden. Zugleich wird in diesem zweiten Ausbildungsjahr auch Wert auf eine „Haltungsänderung“ gelegt, denn durch Training und die intensive Auseinandersetzung mit dem eigenen Körper soll ein besseres Verständnis für sich und die eigene Befindlichkeit entwickelt und gelernt werden, wie man seine Gesundheit mit Hilfe verschiedener Pflanzen unterstützen kann.

 

Auch Musik hat einen besonderen Stellenwert für Petra Zizenbacher: „Ich würde gern noch spontaner singen und texten können – das Lied des Moments. Denn für mich ist alles Klang, und den Rhythmus des Moments zu finden, wäre die Therapieform, die jedem gut täte. Gesundheit ist Wohl-Klang.“ Medizin trifft Musik, wie es auch bei Hildegard von Bingen der Fall war, die von Petra Zizenbacher hoch geschätzt wird: „Zu Hildegard kam ich ursprünglich durch Zufall, als mir der Aderlass empfohlen wurde. Ihre Pflanzenheilkunde hat mich begeistert, die Edelsteinheilkunde konnte ich noch nachvollziehen, aber den Aderlass schon nicht mehr. Und dann habe ich ihn selbst ausprobiert und es hat mich, im wahrsten Sinne des Wortes, umgehauen. Mittlerweile fasziniert es mich, was man aus Blut alles herauslesen kann, und ich wende die Methode sehr gern an. Ebenso faszinierend finde ich die Person Hildegard von Bingen. Wenn man sich vorstellt, dass diese Frau vor achthundert Jahren gelebt und der Männerwelt den Kopf gewaschen hat, dann war das schon extrem mutig. Sie hat ihre Wahrheit klar ausgesprochen und Position bezogen. Was sich auch bei ihr gezeigt hat und was sie erkannt hat, war, dass sie krank geworden ist, wenn sie gegen ihren Lebensplan gehandelt hat. Das kann man wunderbar von ihr lernen: Wenn man gegen das lebt, was man eigentlich will und soll, wird man krank. Ihre Erkenntnis und Botschaft war: Lebe, was Du bist!“

 

 

Die Autorin: Felicitas Freise ist freie Journalistin mit den Schwerpunkten (Komplementär-)Medizin, Reportage und Porträt und arbeitet u.a. für Publikumsmagazine wie Maxima, Die Presse und Der Standard. www.freise.at

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