Wenn Schoko bitter schmeckt

Ernte in der Kooperative Waslala in Nicaragua. Die biologisch angebauten Kakaofrüchte werden noch mit der Machete verarbeite. Hier ist Fair-Trade ein Standard. Foto: Zotter
Ernte in der Kooperative Waslala in Nicaragua. Die biologisch angebauten Kakaofrüchte werden noch mit der Machete verarbeite. Hier ist Fair-Trade ein Standard. Foto: Zotter

  

15 Millionen Tonnen Schokolade werden jährlich in der EU verzehrt – bald wieder in Form von Osterhasen. Das ist die Hälfte der weltweiten Schokoproduktion. Österreich verbraucht pro Kopf jährlich etwa acht Kilogramm der braunen Sünde. Und mit Sünde ist nicht die Kalorienzahl gemeint.

Von Sabine Fisch

Er deckte auf, was viele gar nicht wissen wollten: Der dänische Journalist Miki Mistrati wollte wissen, wie fair Kakao produziert, gehandelt und verkauft wird. In seinem Film „Schmutzige Schokolade“ ist das Ergebnis seiner Recherchen zu sehen. Und das ist wenig erfreulich, vor allem für jene, die Schokolade gern und häufig essen. Mistrati reiste selbst nach Afrika, nach Elfenbeinküste, um sich ein Bild von den Produktionsbedingungen von Kakao zu machen. Was er fand war erschütternd: In fast allen Plantagen, die er besuchte, waren Kinder im Alter zwischen acht und 18 Jahren für die Ernte der Kakaobohnen beschäftigt.

 

In der Elfenbeinküste wird der größte Teil der weltweiten Kakaoproduktion angebaut. 42 Prozent aller Kakaobohnen stammen aus diesem Land. Insgesamt kommen 90 Prozent aller Kakaobohnen aus Elfenbeinküste, Ghana, Nigeria und Kamerun. Es sind überwiegend Kleinbauern, die Kakao anbauen, ernten und dann an Zwischenhändler verkaufen. Und hier liegt auch eines der Probleme: „Die Bauern erhalten nur rund 40 Prozent der Weltmarktpreises für ihre Kakaobohnen“, sagt Gerhard Riess von PRO-GE-Essen, der Produktionsgewerkschaft, in Österreich: „Den Rest erhalten die Zwischenhändler, die die Bohnen an die großen Schokoladehersteller weiterverkaufen.“

 

In den vergangenen acht Jahren ist der Weltmarktpreis für Kakao massiv gefallen. Das hat eine Vielzahl von kleinen Kakaobauern dazu gebracht, die Produktion einzustellen. Es lohnte sich einfach nicht mehr. Mehr als 100.000 Bauern allein in Elfenbeinküste haben inzwischen aufgegeben. Dann entdeckten Spekulanten Kakao als lukratives Produkt. Ergebnis: Kakao wurde knapp, der Preis erreichte ungeahnte Höhen. Für die kleinen Kakaobauern änderte sich aber nur wenig. „Sie erhielten etwas mehr Geld für ihre Kakaobohnen, am System der Zwischenhändler wurde aber nicht gerüttelt“, berichtet Hartwig Kirner, Geschäftsführer von Fairtrade Österreich.

 

Allein in den afrikanischen „Kakaoländern“, so ist es auf der Website von Fairtrade Österreich nachzulesen, arbeitet eine Million Kinder auf Kakaoplantagen. Und diese Kinder werden vielfach nicht bezahlt, sondern von skrupellosen Menschenhändlern gekauft und zur Arbeit auf den Kakaoplantagen gezwungen. „Kinderarbeit ist in der Kakaoproduktion Alltag“, stellt auch Kirner fest.

 

Dabei ist dies inzwischen verboten. Im Jahr 2001 hatten sich die großen Schokoladeproduzenten (siehe Kasten 1) an einen Tisch gesetzt und das „Harkin-Engel“-Protokoll unterzeichnet. Wichtigster Passus: Auf Kakaoplantagen dürfen ab 2008 keine Kinder mehr beschäftigt werden. An der Praxis, das zeigt der Film „Schmutzige Schokolade“, hat das Protokoll aber scheinbar nichts geändert. Die großen Schokoladehersteller begründen ihr wenig ausgeprägtes Engagement gegen Kinderarbeit auf den Kakaoplantagen gerne mit der Antwort: Sie selbst würden ja nicht direkt von den Plantagen, sondern über große Handelsunternehmen kaufen. Und die großen Handelsunternehmen geben wiederum an, lediglich von Zwischenhändlern zu kaufen – also ebenfalls nicht direkt von den Plantagen. Bisher werden nur etwa 0,1 Prozent des weltweit produzierten Kakaos fair gehandelt und nur etwa 0,5 Prozent biologisch produziert. Insgesamt beträgt der Jahresumsatz aus Kakao 5,1 Milliarden Dollar (3,6 Milliarden Euro). Sechs Länder produzieren 91 Prozent der Kakaobohnen weltweit, fünf Unternehmen kontrollieren 80 Prozent des Handels.

 

Es geht zu 100 Prozent biologisch und fair

Dass es auch anders geht, zeigt unter anderen der Österreicher Josef Zotter. In seinem Unternehmen wird Schokolade zu 100 Prozent biologisch und fair hergestellt (Siehe Interview). „Wir wollen schließlich, dass die Erde auch in 1000 Jahren noch ein lebenswerter Planet ist“, hält er im Interview mit der lebensweise fest und versteht nicht „warum nicht alle Unternehmen fair und bio produzieren.“ Zotter schreibt nämlich vor allem den Unternehmen die Macht zu, Produktionsbedingungen zu verändern – und weniger den Konsumentinnen und Konsumenten von Schokolade: „Unternehmen müssen ihre Verantwortung verstärkt wahrnehmen und nicht nur darauf schielen, dass Kundinnen und Kunden nur das Preisargument interessiert“, zeigt sich der engagierte Schokoladeproduzent überzeugt. Machtlos sind jene, die gerne Schokolade essen, deswegen aber noch lange nicht. „Wenn man von Missständen erfährt, soll man seinen Unmut dem Unternehmen mitteilen“, fordert Fairtrade-Geschäftsführer Hartwig Kirner: „Mittels E-Mail geht das heute sehr schnell und es zeigt Wirkung, weil Unternehmen ihr Ruf wichtig ist.“ Wer fair und bio gehandelte Schokolade kaufen will, greift zu Produkten mit dem Fairtrade oder Rainforest-Alliance-Zertifikat. Zertifizierte Schokolade unterliegt strengsten Prüfungskriterien, Kinderarbeit ist verboten. Gleichzeitig wird auf umweltgerechte Produktion geachtet.

 

Um die Lebensbedingungen der Kakaobauern und Umweltstandards zu verbessern, wird die Gründung von Kooperativen unterstützt. Derartige Kooperativen organisieren von der Produktion bis zum Verkauf alles selbst, was das System der Zwischenhändler aushebelt und den Bauern ein gutes Einkommen ermöglicht. Auch die Gewerkschaft PRO-GE setzt auf Direkthilfe für die Kakaofarmer, etwa mit der Unterstützung der Cuapa-Kakaokooperative in Ghana, die mittlerweile 18.000 Mitglieder hat.

 

Und der Druck auf die großen Schokoladeproduzenten nimmt zu: „Die Ernte wird immer geringer, weil viele Kakaobäume veraltet sind“, berichtet etwa Hartwig Kirner. Die Nachfrage steigt allerdings weiter. „Vor allem in China und Indien wird zunehmend mehr Schokolade gegessen“, weiß Gerhard Riess. Das fördert die zertifizierte Produktion von Schokolade, denn nur wenn die Produktionsbedingungen fair sind, werden sich wieder mehr Menschen dem Kakaoanbau zuwenden. „Die großen Hersteller haben Angst, in den nächsten Jahren zu wenig Kakao für diese steigende Nachfrage einkaufen zu können“, sagt Riess. Derzeit arbeiten die großen Schokoladeverarbeiter an einem Commitment. Pro Tonne Kakao sollen 100 Dollar mehr bezahlt werden, um mehr Fairtrade- und Rainforest-Alliance-zertifzierte Kakaoproduktion zu ermöglichen.

 

Schokolade macht glücklich, sagt man. Wenn man einmal von den Herstellungsbedingungen absieht und sich dem Produkt selbst zuwendet. Die Gesundheitswirkung ist aber wissenschaftlich nicht haltbar: Jener Stoff in der Schokolade, der glücklich macht, ist Phenylethylamin, und diese Substanz wirkt auf die Neurotransmitter im Gehirn. Allerdings ist der Gehalt an Phenylthylamin in einer Tafel Schokolade sehr gering. Man müsste schon 20 bis 30 Tafeln auf einmal essen, um tatsächlich eine euphorisierende Wirkung zu verspüren. Dafür soll Schokolade aber mehr Antioxidantien enthalten als so manche Frucht – also jene Stoffe, die Sauerstoffradikale im Blut unschädlich machen. Mit der „gesunden“ Schokolade, die immer wieder propagiert wird, ist das aber so eine Sache: Tatsache ist, in der braunen Köstlichkeit finden sich Flavonoide. Das sind sekundäre Pflanzenstoffe, die sich etwa positiv auf die Herzgesundheit oder den Blutdruck auswirken können. Allerdings: Viel mehr dieser Stoffe finden sich in Obst und Gemüse. Und so sollte Schokolade nicht zur täglichen Ernährung werden, sondern das bleiben, was sie ist: ein Stück Genuss, das mit Lust genossen wird.

 

 

 

Größte Produzenten

Laut Tropical Commodity Coalition for sustainable tea, coffee, cocoa ist der Nahrungsmittelgigant Kraft/Cadbury (Milka) mit 15,2% Martanteil derzeit der größte Schokoladeproduzent weltweit. Ihm folgt Mars/Wrigley mit 14,6%, dann Nestlé mit 12,6%, Ferrero mit 7,3% und Hershey mit 6,7%. Mit maximal 45% des Weltmarktpreises erhalten Kakaobauern in Elfenbeinküste am wenigsten Lohn für ihre Ernte. Mit 90% erhalten Bauern in Brasilien am meisten. Dort ist der jährliche Ernteausfall mit 65% jedoch am größten.

 

Fairtrade Initiative

Fairtrade ist eine gemeinnützige Initiative, die von 27 Organisationen aus den Bereichen Entwicklungspolitik, Kirche, Ökologie, Bildung und Soziales getragen wird. Fairtrade zertifiziert fair gehandelte Produkte mit dem Fairtrade-Gütesiegel und fördert den fairen Handel in Asien, Afrika und Lateinamerika. Fairtrade setzt sich für gerechtere Preise, bessere Arbeitsbedingungen, Nachhaltigkeit und faire Handelsbedingungen ein. Durch den fairen Mindestpreis, den die Unternehmen für die Produkte zahlen müssen, sowie durch Bioaufschläge und Sozialprämien bekämpft Fairtrade die Ungerechtigkeit des konventionellen Handels, der die ärmsten und schwächsten Bauern und Produzenten am meisten benachteiligt. www.fairtrade.at

 

Rainforest Alliance

Die Rainforest Alliance wurde 1987 gegründet und setzt sich für den Schutz des Ökosystems, den Erhalt der Biodiversität und für die nachhaltige Sicherung der gemeinsamen Lebensräume von Mensch, Tier und Pflanze ein. Das Zertifikat der Rainforest Alliance erhalten Farmen, die eine Vielzahl - rund 100 - an sozial-, umwelt- und wirtschaftsbezogener Kriterien erfüllen. Diese Standards wurden vom Sustainable Agriculture Network SAN (Netzwerk für Nachhaltige Landwirtschaft) ausgearbeitet. Das SAN ist eine Vereinigung gemeinnütziger nichtregierungsgebundener Organisationen, zu denen auch die Rainforest Alliance gehört. Das SAN fördert eine auf Nachhaltigkeit ausgerichtete Landwirtschaft. http://rainforest-alliance.org/de

 

Diese Konzerne dominieren den Handel:

 

ADM (www.adm.com/en-US/Pages/default.aspx)

Cargill (www.cargill.com/)

Barry Callebaut (www.barry-callebaut.com/)

Petra Foods (www.petrafoods.com.sg/)

Blommer (www.blommer.com/cocoa.html)

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Kommentare: 1
  • #1

    su (Dienstag, 26 April 2011 00:57)

    wirklich erschütternder Bericht... kann nur den Kopf schütteln und weiterhin fair Schokolade kaufen!