Füße am Boden, Kopf in den Wolken

 

Erfahrungsbericht einer Trager-Behandlung von Sabine Fisch


An einem schönen sonnigen Frühsommertag mache ich mich also auf in den ersten Wiener Gemeindebezirk, in die Praxis von Hedi Stieg-Breuss, die seit vielen Jahren als Trager-Praktikerin und -Lehrerin tätig ist. Ich bin sehr neugierig auf das, was da auf mich zukommt. Gelesen habe ich inzwischen eine Menge zur Trager-Methode.

 

Es geht vor allem um Leichtigkeit – in der Bewegung, im Körper und im Kopf. Als ziemlich energiegeladener Mensch, der oft sehr schwer zur Ruhe kommt, erscheint mir der Gedanke des „loslassens“ und „leicht werdens“ verführerisch – aber: Ob ich das kann? Ob mir mein immer aktives Gehirn nicht einen Strich durch die Rechnung macht? Ich beschließe, es darauf ankommen zu lassen, mich wirklich auf die Behandlung einzulassen und betrete die Praxis.

 

Die Frau, die mir entgegenkommt, erscheint mir aufrecht und sehr gelassen. Sie begrüßt mich freundlich und bittet mich in ihren Praxisraum. Sie berichtet mir, was Tragern für sie bedeutet, wie sie die Methode entdeckt hat und mit welcher Freude sie sie anwendet. Dann beginnen wir. Ich entledige mich meiner Turnschuhe und meiner Brille – die Welt verschwimmt.

 

Ich soll mich hinstellen, einfach so. Auf meinen zwei Beinen stehen. Dann das Gewicht verlagern, von einem auf das andere Bein. Ich schließe die Augen. Vor und zurück wiege ich mich und hin und her – immer von einem Bein auf das andere. Nach einiger Zeit spüre ich den Fußboden unter meinen Sohlen immer deutlicher. Ich richte mich auf, stehe gerade, den Kopf hoch erhoben. Ich atme tief ein und aus und öffne die Arme. „Was ist das für ein Gefühl?“ fragt mich Hedi Stieg-Breuss, als sie mich mit hoch erhobenem Kopf und kerzengerade vor sich stehen sieht: „Hoch erhoben“, antworte ich und „elegant“. Sie lächelt. In der Trager-Arbeit geht es viel darum, sich zu erspüren – seinen Körper, seinen Stand in der Welt und damit Zugang zu seinem Inneren, dem Unbewussten zu finden. Jetzt soll ich mich hinlegen, auf einen hohen Tisch, der weich gepolstert ist. Auf den Rücken. Und dann beginnt der Tanz.

 

Milton Trager, der die Methode entwickelt hat, sprach von einem Tanz zwischen Trager-Praktiker und Klient – und das ist es tatsächlich. Obwohl ich still liege, bewege ich mich – das heißt: ich werde bewegt. Hedi Stieg-Breuss beginnt an meinen Schultern und Armen. Sie hebt sie an, schüttelt sie, versetzt sie in Bewegung – ich selbst bin völlig passiv, soll und darf nicht mitarbeiten – ich lasse die Bewegungen an mir geschehen. Langsam arbeitet sich die Trager-Praktikerin an meinem Körper rauf und runter – ich werde bewegt, gedrückt, leicht geschüttelt – von Kopf bis Fuß. Es fühlt sich an, als würde mein ganzer Körper in tausende leichte Schwingungen versetzt. Und immer stärker spüre ich, wie mein Körper auf der weichen Unterlage liegt, ich spüre tatsächlich meine Wirbelsäule vom Atlas, der meinen Kopf trägt, bis zum letzten Steißbeinwirbel. Ein ungeheuer angenehmes Gefühl!

 

Der Geist soll, so Milton Trager, bei einer solchen Behandlung leer sein. Das gelingt mir – einer Person, deren Hirn vom Aufstehen bis zum Einschlafen rattert wie eine Schreibmaschine – natürlich nur ganz schwer. „Lassen Sie die Gedanken zu“, sagt Hedi Stieg-Breuss, „aber halten Sie sie nicht fest – lassen Sie sie einfach durch sich hindurchgehen.“ Ich spüre die Trager-Praktikerin hinter meinem Kopf Platz nehmen. Sie beginnt mein Gesicht zu berühren, den Nacken zu stützen und letztlich meine Kiefermuskeln zu entspannen. Nun gehöre ich zu jenen Menschen, die meist die Zähne fest zusammenbeißen – oft ohne dass ich es merke. Wenn es mir dann auffällt, muss ich den Kiefer bewusst entspannen. Jetzt werde ich entspannt – der Mund und der Kiefer werden gelockert – ich soll einen Ton von mir geben, während mein Kiefer sanft bewegt und geschüttelt wird. „Oaoaoaoa“, kommt es aus meinem Mund – ich muss lachen, weil es sich so lustig anhört. Als ich die Praxis verlasse, tue ich das gerade aufgerichtet, mit hoch erhobenem Kopf und einem Gefühl der Leichtigkeit, das mich die Treppen zum Ausgang förmlich hinunter schweben lässt. Ganz leicht.            

 

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