"Geht nicht um Licht"

Peter Arthur Straubinger, Filmkritiker des ORF-Senders Ö3, studierte Film in Wien. Mit der Dokumentation „Lichtnahrung“ hat der Familienvater einen der erfolgreichsten österreichischen Filme der letzten Jahre geschaffen. Foto:www.austrianfilms.at/Thimfilm
Peter Arthur Straubinger, Filmkritiker des ORF-Senders Ö3, studierte Film in Wien. Mit der Dokumentation „Lichtnahrung“ hat der Familienvater einen der erfolgreichsten österreichischen Filme der letzten Jahre geschaffen. Foto:www.austrianfilms.at/Thimfilm

 

 

Sein Film „Am Anfang war das Licht“ sei keine Aufforderung, sich von Licht zu ernähren, sondern eine Aufforderung zur Skepsis, sagt P.A. Straubinger im Gespräch mit Sigrit Fleisz. Aber wenn es nur einen Menschen gibt, der das könne, revolutioniere es unser Denken.

 

lebensweise: Wie kam es zur Idee für diesen Film??

P.A. Straubinger: Ich bin ein Kopfmensch. Also begann ich mich vor Jahren für transpersonale Psychologie, zum Beispiel C.G. Jung, für Yoga und Meditation zu interessieren und auseinanderzusetzen. Dann habe ich von einem Grazer, der im Film vorkommt, gehört, dass er nicht essen soll. So kam ich auf das Thema, sah eine Dokumentation über Nikolaus von Flüe, einen Schweizer Einsiedler und Asket: Die letzten 20 Jahre seines Lebens soll er nichts gegessen oder getrunken haben. Irgendwann habe ich mich gefragt, warum das nicht erforscht wird, und begann 2005 zu drehen. Im Herbst 2005 sah ich „We feed the World“. Das hat mich inspiriert – Helmut Grasser, der Produzent, hat dann in Stoffentwicklung investiert – und mir die Reise gesponsert.

 

lebensweise: Wo haben Sie begonnen?

Straubinger: Das Phänomen wird seit tausenden von Jahren beschrieben, bei den Chinesen, Indern, selbst in der christlichen Tradition – bei manchen Menschen tritt es spontan auf, nach Krankheit oder Hungersnot. Über Bücher und Internet wurde ich aber nicht schlau, deshalb habe ich recherchiert, bin alleine los: Russland, Amerika, China und habe alles selbst gemacht: Kamera, Ton und alles andere – ohne Zeitdruck, ohne Filmteam. Dadurch konnte ich vielerorts ein Vertrauen aufbauen, Gespräche führen. 2007 schnitt ich einen Demo-Film, und bin mit einer Kamerafrau los, wir hatten zuletzt 200 Stunden Material.

 

lebensweise: Zu welchem Schluss kamen Sie?

Straubinger: Ich will ganz klar sagen: Der Film ist keine Werbung für Lichtnahrung – oder womöglich eine Aufforderung, nichts zu essen. Aber wenn es nur einen Menschen gibt, bei dem dies funktioniert, stellt es unser klassisches materialistisches Weltbild in Frage. Und die Reaktionen haben gezeigt, dass das Thema die Gemüter bewegt, es rüttelt am aktuellen Weltbild. Mein Film ist eine Aufforderung zur Skepsis: Es war toll, dass wir uns die Welt untertan gemacht haben – aber heute sieht man, wie weit wir gekommen sind. In der Lichtnahrung gibt es auch Scharlatane – aber insgesamt bedeutet das nicht, dass es das Phänomen nicht geben soll. Im wissenschaftlichen Bereich ist Lichtnahrung eine Gratwanderung, um einen Teaser zu liefern, der für die Filmbranche einen gewissen Unterhaltungswert hat – Schlussendlich hatten wir 100.000 Zuschauer in Österreich, George Clooney am selben Tag nur 45.000.

 

lebensweise: Hat Lichtnahrung mit Licht zu tun?

Straubinger: Nein, mit Sonnenlicht hat es nur peripher zu tun. Es gibt aber viele andere Begriffe, die mit Licht als Energie zu tun haben: Bigu, Sedis oder die Christlichen Charismen.

 

lebensweise: Wie lernt man es, Licht als Nahrung verwerten zu können? Gibt es Lehrer?

Straubinger: Lichtnahrung ist ein Label, das ein Verleger in Deutschland erfunden hat. Chinesen sagen dazu Qi, Wilhelm Reich hat es Orgon als neue Energieform genannt. In der östlichen Tradition ist das schon sehr lange bekannt. Die Schulmedizin bezieht ihr komplettes Wissen vom toten Körper – von Leichen, von der leblosen Materie. Darauf hat mich ein ayurvedischer Arzt, der in Indien westliche Ärzte ausbildet, hingewiesen. Da kann uns doch die östliche Tradition befruchten. Das Meridiansystem lässt sich rein wissenschaftlich nicht feststellen, die Wirkung ist aber nicht umstritten. Wieso es funktioniert ist im Grunde egal – wenn Placebo funktioniert ist das im Grunde der Beweis für die Geistheilung. Inder und Chinesen sagen, es gibt unterschiedliche Arten die Lebensenergie zu holen: Qi oder Prana – die Nahrung ist ein indirekter Weg; die Chinesen sagen, das geht auch über die Haut oder über Qi-Gong-Übungen. Im Medizinischen Qi-Gong wird das seit Jahrtausenden beschrieben.

 

lebensweise: Was bedeutet Askese? Wird der Geist stärker, wenn der Körper weniger Nahrung erhält?

Straubinger: Es geht darum, das Anhaften am Sinnlichen zu verlieren – das geht nicht nur mit Willen allein – ein Ansatz, der aus der christlichen Tradition stammt. Stichwort: Selbstgeißelung. Es gab aber die Mystiker, die das etwas anders verstanden hatten. Aus der christlichen Tradition entwickelte sich eine große weltliche Organisation. Ich denke, wir sind traumatisiert: Zur Zeit der Aufklärung ging es nur um die Trennung von Geist und Materie, der Geist wurde in der Folge negiert. Die Welt wurde als Modell vereinfacht, um quantifizierbar gemacht zu werden: Viele glauben, dass diese Vereinfachung der Wirklichkeit die Wirklichkeit selbst ist - die klassischen Naturgesetze sind Annäherungen, und funktionieren für Flugzeuge und Handys, auch die Quantenphysik hat wenig Einfluss auf Medizin und Biologie. Die Genetik sagt, wir sind zu 99 Prozent identisch mit einem Schimpansen – das stimmt für mich einfach nicht. Ich kann de facto mehr als ein Schimpanse, mir ist das zu grob.

 

lebensweise: Was denken Sie über Jasmuheen alias Ellen Greeve – ist sie gescheitert?

Straubinger: Sie ist eine Hardcore-Esoterikerin, ich habe sie als nette und freundliche Person kennengelernt – ihre Vorträge sind mir allerdings zu abgehoben. Generell ist das Guru-Thema problematisch, denn es kann einfach zu Missbrauch kommen. Das 21-Tage-Programm war ihr Weg. Sie hat zugeben, dass es ein Fehler war, dieses Programm zu veröffentlichen, hätte sie gewusst, was passiert, hätte sie es nicht veröffentlicht.

 

lebensweise: Was sagen Sie zu den Todesopfern durch Versuch, sich von Licht zu ernähren?

Straubinger: Das Problem ist, dass Menschen mit einer schwachen körperlichen Konstitution gefährdet sind, da muss man extrem vorsichtig sein.

 

lebensweise: Esoterik als Wissenschaft der Zukunft?

Straubinger: Der britische Nobelpreisträger Brian Josephson sagt ja, solange die Physik geistige Aspekte ignoriert, ist sie in einer Sackgasse. Der Abwehrkampf läuft noch, aber die Leute, die heute am lautesten schreien, wird es später nicht mehr geben. Wenn Phänomene auftauchen, die nirgendwo reinpassen, werden sie lange in die gängigen Hypothesen hineingedrängt oder als Betrug verworfen. Der gängigen Wissenschaft fällt es sehr schwer, sich von pragmatischen Denkweisen zu lösen. Ist der Ruf einmal ruiniert, dann gibt es keine Forschungsgelder, die Angst, sich lächerlich zu machen, ist vorherrschend. Die Helden sind für mich die, die sich damit beschäftigen.

 

lebensweise: Was ist ihre Lieblingsspeise?

Straubinger: Ich esse am liebsten italienisch. Für mich ist Essen sehr emotional. Seit ich aufgehört habe zu rauchen, befriedige ich suchtmäßig den emotionalen Hunger. Nach dem Fasten spüre ich regelmäßig zehn Pferde, die an mir ziehen, aber ich bin Zuckerjunkie: Nach zwei Tagen bin ich schwach, nach dem dritten Tag bereits verspüre ich eine irre Kraft, obwohl oder wahrscheinlich weil ich nichts zu mir nehme. Nach einer Woche ist bei mir die Grenze erreicht und ich beginne vom Essen zu träumen.

 

lebensweise: Wie bewerten Sie den Einfluss des Bewusstseins auf die Materie?

Straubinger: Wenn einem einmal klar wird, dass wir in einem Bewusstseinsfeld leben und in einer Weise alle verbunden sind – dann hat das eine immense Auswirkung auf mein Leben – es kann mir einfach nicht egal sein, wie es meiner Umwelt geht, es macht keinen Sinn, immer nur auf den eigenen Vorteil zu schauen.

 

lebensweise: Wie kommen Sie zu dieser Erkenntnis?

Straubinger: Ich meditiere seit 10 Jahren zweimal täglich: die geistig seelischen Effekte lassen sich schwer nachweisen, auch wenn der Blutdruck sinkt – für mich ist es aber jedenfalls eine unglaubliche Beruhigung. Ich verfalle in keine depressive Tiefs mehr – es ist eine Art Psychohygiene: dort ist alles schön und ruhig. Und beeinflusst den restlichen Tag positiv.           



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