Licht und Leben

Walter „Omsa“ Rohrmoser, der „Alpenyogi“, ernährt sich gerne von Lichtnahrung, wie er in P.A. Straubingers Film „Am Anfang war das Licht“ darlegt. Foto:Thimfilm
Walter „Omsa“ Rohrmoser, der „Alpenyogi“, ernährt sich gerne von Lichtnahrung, wie er in P.A. Straubingers Film „Am Anfang war das Licht“ darlegt. Foto:Thimfilm

 

Am Anfang war das Licht. In Anlehnung an das Sechstageswerk der biblischen Schöpfungsgeschichte schuf der österreichische Filmkritiker P. A. Straubinger eine gleichnamige Dokumentation. Er zeigt Menschen, die sich angeblich nur von Licht ernähren. Der Film wurde nun als DVD vorgestellt. Eine Spurensuche anlässlich des längsten Tages des Jahres, am 21. Juni.

Von Sigrit Fleisz

Zweimal im Jahr steht die Sonne still: Auf der Nordhalbkugel der Erde ist deshalb die Nacht des 21. Juni am kürzesten. Grund genug für viele Bewohner Mitteleuropas und den USA, beim Mittsommerfest die Kraft des Sonnenlichts zu feiern und sich gleichzeitig von ihm zu verabschieden.

 

Der Übergang zwischen kalter und warmer Jahreszeit wurde schon immer in Riten und Festen bedacht. Je härter der Winter umso feudaler war der Jubel in weißen Nächten, vornehmlich der nördlichen Erdbevölkerung. Seit der Zeit der Christianisierung wurde der Tag dem machtvollen Heiligen Johannes dem Täufer gewidmet (Johannistag). Die Errichter der steinzeitlichen Kultstätte Stonehenge im Süden Englands hatten den Zeitpunkt mittels Feststellung von Auf- und Untergangszeitpunkt der Sonne sogar in Stein gemeißelt. Tatsache ist: Der Einfluss der Sonnenkraft auf Natur und Mensch beeinflusste Kalendarien und brachte ebenso Mythen hervor wie kühne wissenschaftliche Hypothesen. Der Grund: Sonne ist Leben, ihr Licht spendet Kraft, ist Nahrung für die Seele und verleiht ein sonniges Gemüt. Einige Menschen beten die Sonne derart an, dass sie meinen, sich von dieser Energie ernähren zu können. Das Phänomen Lichtnahrung stellt die moderne Wissenschaft vor ein Rätsel.

 

Der österreichische Journalist P.A. Straubinger greift dieses Thema in seinem Dokumentationsfilm „Am Anfang war das Licht“ auf und schuf damit einen der erfolgreichsten österreichischen Filme der vergangenen Jahre. Der von den Machern von „We feed the World“ produzierte Film wirbelte die Gemüter auf: Ö3-Filmkritiker Straubinger bekam viel Lob, wurde aber auch mit Vorwürfen wie mangelnden wissenschaftlich fundierten Protagonisten und Aussagen konfrontiert. Es stellt sich die Frage nach der Motivation. „Ich glaube, bei Lichtnahrung geht es vor allem darum, körperliche und geistige Grenzen auszuloten und zu überwinden“, sagt der Wiener Yoga-Experte und Ernährungswissenschafter Axel Dinse. „Vielleicht liegt dem auch eine gewisse Unzufriedenheit mit dem Mittelmaß zugrunde.“ Er selbst glaubt daran, dass es möglich ist, sich ausschließlich von Licht zu ernähren, ziert sich selbst aber ein wenig – aus Angst. Auch die Todesopfer der Lichtnahrung haben einen bleibenden Eindruck hinterlassen. „Drei Freunde von mir, alle Ernährungswissenschafter, haben es ausprobiert, nachdem sie bei einem Seminar der Lichtnahrungsbefürworterin und australischen Autorin Jasmuheen waren“, sagt Dinse. „Sie haben es nach eigenen Angaben sechs beziehungsweise neun Monate geschafft sich nur von Licht zu ernähren.“ Dabei ging es den dreien nicht übel: Sie haben die Gewichtsreduktion so beschrieben, als wäre ihr Stoffwechsel auf Standby. Die Körpertemperatur sank, das Blutbild war allerdings völlig ok. Obwohl sie keine gesundheitlichen Konsequenzen erlebten, fühlten sie sich müde. Dinse: „Ich selbst kenne dieses Gefühl einer Trance – ein angenehmes Gefühl – vom Fasten.“ Der simple Grund, warum es den Freunden dann doch irgendwann zu bunt wurde: „Sie alle haben damit aufgehört, weil sie Spaß am Essen haben“, sagt Dinse. „Und weil die Sache mit der Lichtnahrung irgendwie unsozial ist. Man trifft sich ja bei uns zum Essen oder auf einen Kaffee. Das ist ein Ausdruck von Lebensfreude.“

 

Dabei bringt Essen dem Menschen mehr als nur Freude und Freunde. Nahrung ist Leben. „Man kann Materie nicht durch Licht alleine erhalten“, sagt der Ernährungswissenschafter, Wolfgang Marktl, Präsident der Akademie für Ganzheitsmedizin (GAMED). Ohne Wasser kann der Mensch laut dem Experten maximal 20 Tage leben, ohne feste Nahrung kommt man immerhin bis zu zwei Monate aus. „Darüber hinaus wurde nichts bewiesen“, sagt Marktl. „Menschen im Hungerstreik sind nach dieser Zeit dann gestorben.“  Und zwar an Organversagen: „Bei Nahrungsentzug atrophieren die Organe. Das ist so wie mit allem: Muskeln, Gehirn – alles, was man nicht benutzt, verfällt.“ Für den Wissenschafter ist Lichtnahrung ein Spiel mit dem Feuer. Wenn sich ein Mensch eine Zeit lang nur von Licht ernährt, kann es sehr schwer sein, wieder ins Leben zurückzufinden. „Man kann nicht von einem Tag auf den anderen wieder normal essen. Oft müssen diese Menschen mühsam intravenös ernährt werden. Wenn die Natur gewollt hätte, dass der Mensch alleine von Licht leben kann, würden die Kinder in Afrika nicht wie die Fliegen sterben. Das finde ich makaber.“

 

Eine ganze Reihe von Kritikern warnt

Auch Anton Luger, Leiter der Klinischen Abteilung für Endokrinologie und Stoffwechsel an der Medizinischen Universität Wien, kann sich mit den Erkenntnissen der Schulmedizin Lichtnahrung nicht erklären. Fasten jedoch ist seiner Meinung nach eine Erfahrung wert: „Ich glaube, wenn man einmal einen Tag nichts isst, erlebt der Körper noch nie da gewesene Sensationen“, sagt Luger. „Es ist aber Unsinn, zu behaupten, Fasten hätte etwas mit Entgiftung zu tun. Nahrung ist kein Gift – im Gegenteil: Der Mensch entgiftet ohnedies laufend über die Leber und die Nieren. Eine zusätzliche Entgiftung durch absolute Nahrungs- und Flüssigkeitskarenz gibt es meiner Meinung nach nicht. Generell halte ich  jede Art von unausgewogener Diät für nicht sinnvoll.“

 

Sepp Fegerl, Ernährungs- und Ganzheitsmediziner aus Salzburg, verweist im Zusammenhang mit Fasten auf die vielzitierten Schlacken: „Schlacken sind Stoffwechselendprodukte, meist Zucker-Eiweiß-Verbindungen, die sich in den Zellzwischenräumen und im Bindegewebe anlagern und die Entgiftung des Körpers behindern.“ Sie entstehen nach Meinung des Experten durch ein Zuviel an Nahrung und durch falsche Ernährung. Gegenmittel: „Wir müssen lernen, wieder Maß zu halten“, sagt der Arzt und rät, nicht länger als drei bis vier  Wochen und nur nach ärztlicher Absprache zu fasten. „Man kann eine Mayr-Kur machen, auf Gemüsesuppen setzen oder auf Rohkost, das ist individuell verschieden“, sagt Fegerl. Während der Fastenzeit greift der Körper auf die Zucker-Eiweiß-Verbindungen zurück und entschlackt. Wichtig: Fasten soll den Beginn einer neuen Phase einleiten. „Fasten passiert im Kopf“, sagt Fegerl. „Je mehr man gedanklich damit einverstanden ist, umso besser funktioniert es. Das ist der Unterschied zwischen Fasten und Hungern.“

 

Fest steht: Das Phänomen Askese ist so alt wie die Riten des Mittsommers. In vielen Weltreligionen dient Heilfasten der Reinigung des Geistes und des Körpers, soll die Lebensenergie stärken und die Kraft des Geistes. „Der Geist wird stärker, wenn der Körper weniger isst“, findet auch Yoga-Experte Dinse. „Ganz einfach, weil nicht die ganze Energie zur Verdauungsarbeit benötigt wird.“

 

Einig sind sich alle Experten: Nicht für jeden Menschen ist Fasten gut. Kürzere Fastenzeiten können der Gesundheit dienen; ausschließliche Lichtnahrung aber nur in den seltensten Fällen.„Ich denke, man muss eine Art genetische Disposition für das Lichtfasten mitbringen“, sagt Dinse. Will heißen: Man muss den Drang haben, sich mit spirituellen Themen wie Yoga, Meditation und dergleichen zu beschäftigen. Der über Grenzfragen des Lebens forschende Salzburger Medizinbiologe Gerhard W. Hacker: „Es scheint auf dieser Welt einzelne Wesen zu geben, die tatsächlich in der Lage sind, unsere heutigen physikalisch-physiologischen Grenzen zu sprengen.“ Seiner Meinung nach gibt es Phänomene, die wir nicht erklären können, die unser Weltbild total sprengen, die aber trotzdem existieren. Hacker: „Die Menschen, insbesondere Wissenschaftler sollten endlich lernen, nicht immer von vornherein zu allem Nein zu sagen, was sie mit den derzeit vorhandenen Erklärungen und Messmethoden noch nicht plausibel beweisen können. Nur absolute Offenheit gegenüber Grenzphänomenen kann uns weiterbringen.“ 

 

In seinem Buch „Die neue Dimension der Gesundheit“ (Info: www.med-grenzfragen.eu / Südwest-Verlag), das er gemeinsam mit seiner Frau, Ursula Demarmels, geschrieben hat, geht es Hacker noch um eine ganz andere, allem Leben übergeordnete Art von Licht: Göttliches Licht. Es beinhaltet beispielweise Übungen, wie man sich „in Licht hüllen“ und damit zur verbesserten spirituellen und psychischen Gesundheit finden kann. „Für mich ist es fix, dass wir wiederkommen. Ich glaube an Reinkarnation“, sagt Hacker. „Erfahrene Seelen kommen dabei manchmal als Heiler oder Propheten zurück, die der Menschheit etwas zeigen sollen: dass es Wunder gibt. Diese Wesen dienen dem Göttlichen. Jasmuheen ist für mich allerdings eher eine Show. Sie erscheint mir nicht glaubwürdig.“

 

Weltweit sollen sich insgesamt rund 9.000 Menschen vorwiegend im Zeitraum von 1997 bis 2000 dem rigorosen dreiwöchigen „Lichtnahrungsprozess“ einer einleitenden Nahrungsumstellung unterzogen haben. Jasmuheen hatte diesen in ihrem Erstwerk Lichtnahrung propagiert, einen wahren Esoterik-Hype ausgelöst und damit ein Label kreiert. Sie selbst gibt immer wieder an, Tee mit Milch, Schokolade mit Honig zu verzehren. Das Ergebnis des Experiments: Alle Probanden mussten wieder zu normalen Essgewohnheiten zurückkehren, nur rund zwei Prozent davon behaupten, auch nach ihrer initiatorischen Rückzugsphase über mehrmonatige Zeiträume nahrungsfrei nach Jasmuheen gelebt zu haben oder zu leben. „Peter Straubinger will in seinem Film mit Sicherheit keine Anleitung für Selbstversuche geben“, ist Grenzmedizin-Experte Hacker überzeugt. „Ich halte es für äußerst ungesund und unsinnig, herumzuprobieren, ob und wie lange man sogar ohne flüssige Nahrung leben kann.“

 

Je weniger man trinkt, desto mehr reichern sich harnpflichtige „giftige“ Substanzen im Blut an und es wird dickflüssiger. In der Folge kann es zu schwerwiegenden Gesundheitsschäden kommen, es kann weniger Sauerstoff durch den Körper transportiert werden und der Mensch fühlt sich müde. „Ich glaube nicht, dass sich jeder Mensch von Lichtnahrung ernähren kann. Ich persönlich kann es sicher nicht, da lege ich mich fest“, sagt Experte Luger von der Universität Wien. „Man muss wahrscheinlich gewisse Voraussetzungen mitbringen, wobei ich auch nicht sagen kann, welche das sind. Ich glaube daran, dass die Sache mit der Lichtnahrung, falls es sie tatsächlich gibt, etwas mit dem Geist zu tun haben muss, andererseits muss es auch eine physikalische Erklärung geben“, sagt der Leiter der Endokrinologischen Abteilung. So wie viele Kollegen hat er im Medizinstudium gelernt, dass  es so etwas wie Lichtnahrung nicht geben kann. Luger: „Ich persönlich würde aber nicht soweit gehen zu verneinen, dass es möglich ist. In der Kindheit meines Vaters konnte sich niemand vorstellen, dass die Menschen jemals den Mond betreten – und es ist anders gekommen. Seitdem ich in der Medizin tätig bin, hat sich schon so viel verändert. Es gibt einfach Dinge, die wir nicht erklären können.“

 

Im Qi-Gong wird kosmische Energie übertragen

Im chinesischen Qi-Gong gibt es viele Lehren und Richtungen. Die Tian Gong-Methode stellt die Heilung von Krankheiten und körperlichen Beschwerden in Zusammenhang mit der Kultivierung der Seele. Fortgeschrittene Lehrer und Meister sind demnach in der Lage, kosmische Energie auf andere Menschen zu übertragen. Interessant ist, dass der Schüler dazu vorerst in einen Qi-Gong Zustand gebracht wird, in dem der Energieverbrauch seines Körpers auf ein Minimum reduziert ist. Meister haben dann die Wirkung eines Satelliten: Sie erreichen sowohl die Selbstheilung als auch die Heilung von tausenden Menschen gleichzeitig. Ihre Energieübertragungen sind auf konkrete Ziele wie die Reinigung eines Organsystems, die Regulierung von Emotionen, die Veränderung der Atmung oder sogar die Anpassung an natürliche Nahrungslosigkeit (BiGu) ausgerichtet. Die Grande Dame unter den österreichischen TCM-Experten, Trude Kubiena, hat zur Hypothese von Licht als Nahrungsmittel und Energiespender eine geringe Erfahrung aufzuweisen: „Pflanzen können sich von Licht ernähren, das ist ihre Aufgabe. Aber mit Menschen habe ich diesbezüglich keine persönliche Erfahrung“, sagt die TCM-Ärztin. „Die Lebensenergie Chi wird nicht nur, sondern auch vom Licht genährt.“

 

Hell und Dunkel: die Biochronologie des Menschen

„Licht ist in die Steuerung des Immun- und Hormonsystems involviert“, sagt Hacker. „Regelmäßige und ausgewogene Tages- und Nacht-Rhythmen, die auch den Wechsel zwischen Licht und Dunkelheit beinhalten, tragen wesentlich dazu bei, dass wir am Tag unsere Aufgaben bestmöglich bewältigen und in der Nacht gesund schlafen können.“ Zwei Schlüsselsubstanzen sind Cortisol (vorwiegend am Tag) aus der Nebenniere und das von der Zirbeldrüse (vorwiegend in der Nacht) produzierte Hormon Melatonin. Das Zusammenspiel von Licht und Dunkelheit und damit auch von Cortisol und Melatonin schützt den menschlichen Organismus vor Infektionen, hält uns jung und sorgt für Vitalität. Licht benötigen wir auch für unseren Stoffwechsel, etwa um bestimmte Vitamine für den Körper verfügbar zu machen (Vitamin D). „Ohne Licht werden die meisten Menschen schnell depressiv. Licht regelt in vielerlei Hinsicht auch Kommunikationsprozesse – nicht nur über die Augen“, sagt der Leiter des Instituts für Grenzfragen des Lebens. Und meint: Der Mensch braucht Licht zum Leben – so nötig wie das tägliche Brot.

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