"A klore Suppn mit frischem Pfeffer"

Suppe gehört zu Staudingers Lieblingsspeisen. Beim Lebensweise-Interview gibt‘s viel Pfeffer dazu. Foto: Martin Rümmele
Suppe gehört zu Staudingers Lieblingsspeisen. Beim Lebensweise-Interview gibt‘s viel Pfeffer dazu. Foto: Martin Rümmele

 

Er wollte Mediziner werden. Doch bei der Pathologieprüfung hat er das Studium abgebrochen und wurde Schuhhändler. Dann hat er zuerst regionale Schuhhersteller vor der Globalisierung gerettet, ist dann selbst einer geworden und hilft jetzt beim Aufbau von Spitälern in Afrika. GEA-Gründer Heini Staudinger beschreitet und beschritt viele Wege.

Von Ina Schriebl und Martin Rümmele

Er bewohnt nur ein Zimmer in seiner Schuhfabrik. Wenn die Werkshalle – wie Sonntag Abend – frei ist, genießt er die Stille um Saxophon zu spielen, spazieren zu gehen, zu radeln. Er lässt sich seine Hemden und Hosen im Waldviertel schneidern und bezieht die Lebensmittel von Biobauern in der Umgebung. „weniger haben, aber eine ordentliche Qualität“ sei für ihn auch eine „sinnvolle Maßnahme für die Seele“. Reife Zwetschken und Äpfel seien für ihn Luxus, „wir leben oft davon entfremdet“, erzählt er. GEA-Gründer Heini Staudinger (58) ist ein Geschäftsmann mit Sinn für Philosophie.

 

Grundkurs in Regionalwirtschaft im Laden der Eltern

Geboren ist der Waldviertler-Schuhhersteller in Vöcklabruck in Oberösterreich. In Schwanenstadt ist er in einer großen Familie mit einem Kleinbetrieb aufgewachsen. „Dort habe ich meinen Grundkurs in regionaler Wirtschaft erhalten, sozusagen mit der Muttermilch eingesogen. Daheim lernte ich, dass man auch mit kleinem Einkommen menschenwürdig auskommen kann.“ In der humanistischen Schule lernte er, dass auch „geistiger Brennstoff“ zum Leben dazugehört – und hat jetzt auch das Magazin seiner Firma so genannt. „Auf der Suche nach diesem Brennstoff bin ich mein ganzes Leben lang gierig geblieben. Die Gier ist immer eine Plage, auch im Geistigen. Ich weiß nicht, wie ich das in den Griff bekomme.“

 

Zum Schuhgeschäft kam er eher zufällig. Er sei im Laufe des Medizinstudiums immer unglücklicher geworden. „Die Anthroposophen sagen, alle sieben Jahre passiert ein Umbruch im Leben. Mit 28 bin ich bei der Pathologieprüfung durchgefallen. Ein paar Tage später saß ich mit einem Freund, der die Prüfung geschafft hat, in einem Lokal. Er hatte sich mit dem Geld, das er von seinen Eltern für die bestandene Prüfung erhalten hat, in Dänemark teure Schuhe gekauft. Seine Earth Shoes  gefielen mir, und wenige Tage später fuhr ich per Autostop nach Dänemark und bestellte dort viele Schuhe um 300.000 Schilling, die ich nicht hatte.“

 

Zurück in Wien, suchte er mit dem Fahrrad zwei Stunden lang ein Geschäft und fand in der Lange-Gasse ein Lokal, in das die Sonne hineinschien. „Ich dachte mir, da will ich arbeiten“, sagt Staudinger, der noch heute sein Büro im ersten GEA-Laden hat. Er unterschrieb den Mietvertrag und telefonierte mit Freunden, ob sie ihm Geld borgen könnten. „Der eine borgte mir fünf-, der andere zehntausend und so weiter und nach zwei Tagen war klar - ich brauche keine Bank. Wir bauten das Geschäft um, die Schuhe kamen und es ging los.“

 

Das Thema Banken und Geld hat Staudinger bis heute nicht losgelassen. So ließ er sich auch für die Finanzierung seiner 200 Quadratmeter großen Photovoltaik-Anlage am Dach der Schuhfabrik etwas einfallen: Er lieh sich das Geld bei seinen Kunden aus, fand 600 Leute, die ihm jeweils 200 Euro zahlten. Zurückgezahlt wird mit Schuhen – besser gesagt mit Gutscheinen für Schuhe: „Über zehn Jahre zahlen wir 360 Euro zurück. Sofort nach der Einlage erhält der Geldverleiher einen 60 Euro-Gutschein und dann 10 Jahre lang jährliche 30 Euro“, schildert der Unternehmer die Abwicklung des ungewöhnlichen Finanzierungsprinzips.

 

Wachstum durch die Wirtschaftskrise

Geld, philosophiert Staudinger, sei von Menschen gemacht. „Finanzkrisen entstehen, weil der Tauschwert keine Relation zur Wirklichkeit hat.“ Was folgt sei ein „Durchbeuteln“ der Welt. Ihm sei es wichtig, die Löhne für seine Mitarbeiter pünktlich zu überweisen. Die Pleite des US-Bankenhauses Lehman-Brothers 2008 hat eine Wirtschaftskrise ausgelöst, analysiert er globale Entwicklungen. „Bei uns war es der Startschuss für einen Wachstumsschub. Wir sind von 50 auf jetzt 120 Mitarbeiter gewachsen, der Umsatz hat sich verdoppelt. Das Ganze ist auch bedingt durch das Misstrauen der Konsumenten gegen die globalisierte Wirtschaft.

 

Das 1980 gegründete Schuh-Geschäft entwickelte sich jedenfalls recht gut und bald hatte er in einer gewissen Szene einen recht guten Ruf. „So kamen 1983 die Waldviertler auf mich zu und sie erzählten von ihren Plänen, im Waldviertel eine selbstverwaltete Schuhwerkstatt zu gründen. In mir suchten sie einen Vertriebspartner, der die Waldviertler in den GEA Geschäften anbieten und hoffentlich verkaufen sollte. In der Umgebung sperrten im laufe der Jahre alle Schuhfabriken zu. Die Schuhwerkstatt überlebte mit Mühe.“

 

1991 fürchteten die Schuhmacher, dass sie mit ihren schmalen Löhnen für die inzwischen hohen Schulden aufkommen müssten und sie suchten einen neuen Eigentümer, „dem sie das Unternehmen schenken konnten und der die Schulden übernahm. Als bester Kunde der Firma war ich ihr Wunschkandidat.“

 

Doch irgendwie hat den Schuhhändler auch die Medizin nie ganz losgelassen. Genauso wenig wie Afrika. Davon hat er schon als Kind in den 50er Jahren gehört. „Vom Dr. Watschinger.“ Der war Priester und Arzt in Schwanenstadt und unternahm schon Ende der 50er Jahre Reisen nach Afrika und hielt darüber in Heinis Heimatstadt Vorträge. Einen hörte er im Alter von sechs Jahren. „Ich konnte nur staunen und der Same war ins Herz gelegt.“ 1964 gründete der Arzt in Tansania ein Buschspital und 1972 lud er Staudinger einmal einmal hinzukommen. Dieser kam mit einem Moped und einem Freund, sie halfen beim Aufbau und ein Jahr später noch einmal beim Bau eines Krankenhauses. „Nach dieser Reise begannen wir mit dem Medizinstudium.“

 

Vor fünf Jahren war Staudingers Schwester, die selbst Krankenschwester ist, in Afrika und hat die Spitäler besucht. Sie waren, so erzählt Staudinger, „in einer schweren Krise.“ Also fuhr er selbst hin, half erneut und versuchte wieder aufzubauen – und Geld aufzutreiben. Über seinen „Brennstoff“ nimmt er 200.000 Euro pro Jahr an Spenden ein. Staudinger: „Zwei Spitäler und zwei Schulen sind so bei den Maasai entstanden.“

 

Lebendiges Menschsein heißt helfen

Erfolg heißt für den GEA-Chef „sich für Menschen einzusetzen. Er kann vieles von der „Wichtigkeit des Geschäfts“ weglassen. Gesundes und lebendiges Menschsein heißt für ihn, „den Armen zu helfen“. Das tut er in Afrika und im Waldviertel. Dort konnte er den Komplementärmediziner und lebensweise-Fachbeirat Leo Spindelegger als Betriebsarzt für Schrems gewinnen. Ab 100 Mitarbeitern sei ein Arzt zwingend vorgeschreiben, sagt Staudinger. „Der ist toll. Er bietet uns gratis Akupunktur und Massagen an. Er ist jede Woche 16 Stunden da – macht freiwillig mehr.“ Hauptaufgabe sei aber, bei den Leuten überhaupt das Interesse an solchen Dingen zu wecken.                  

 

 

Webtipps:

www.gea.at

www.gea-brennstoff.at                  

 

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