Gesundheit beginnt im Darm

Computeranimation von Darmpolypen - diese können eine Vorstufe von Colon-Karzinomen sein. Rechtzeitige Vorsorge (Darmspiegelungen) sind ratsam. Foto: Eraxion/iStockphoto.com
Computeranimation von Darmpolypen - diese können eine Vorstufe von Colon-Karzinomen sein. Rechtzeitige Vorsorge (Darmspiegelungen) sind ratsam. Foto: Eraxion/iStockphoto.com

 

„Der Tod sitzt im Darm“, sagte schon Hippokrates. Dennoch wurde ihm viel zu lange viel zu wenig Bedeutung zugemessen. Erst in den vergangenen 20 Jahren fand ein Umdenken statt und immer öfter wird der Darm nun als das wahrgenommen, was er ist: Zentrum des Wohlbefindens.

Von Christiane Mähr

Der Darm beherbergt rund 70 Prozent unseres Immunsystems und entscheidet somit ganz wesentlich darüber, ob wir gesund sind und bleiben oder eben nicht. Aus der Nahrung erzeugt die Darmflora Vitamine und Enzyme, neutralisiert aber auch schädliche Stoffe, die wir täglich zu uns nehmen und freilich auch körpereigene Schadstoffe, wie etwa Gallensäure. Ungefähr 40.000 Bakterienarten besiedeln unseren Darm respektive die Darmschleimhaut. Diese Bakterien leben in einem biologischen Gleichgewicht, steuern durch ein ausgeklügeltes Zusammenspiel den Großteil aller Stoffwechselvorgänge in unserem Körper.

 

Übrigens ist nicht die Haut, sondern der Darm unser größtes Organ und zwar mit bis zu acht Metern Länge und einer Fläche von über 300 m2 – berücksichtigt man die Mikrofalten sind es gar unvorstellbare 4.500 m2. Das entspricht etwa der Größe eines halben Fußballfeldes. Bemerkenswert sind auch die Mengen, die der Darm zu verdauen hat: In 75 Lebensjahren sind es, statistisch betrachtet, circa 30 Tonnen Lebensmittel und rund 50.000 Liter Flüssigkeit.

 

Er ist bemerkenswert, unser Darm. Und doch bemerkt man leider oft zu spät, dass man ihm mehr Beachtung hätte schenken sollen: Die Verdauungsprobleme sind dann meist schon in vollem Gange – manchmal sogar im wahrsten Sinne des Wortes. Neben Durchfall gehören Verstopfungen, Blähungen und Nahrungsmittelunverträglichkeiten zu den häufigsten Darmerkrankungen. Im Gegensatz zu einem Darminfekt bereiten derart chronische Verdauungsprobleme, wie der Name schon sagt, ständig oder zumindest immer wieder einmal Probleme. In den westlichen Ländern sind, laut Anita Frauwallner, über 50 Prozent der Menschen davon betroffen. Die Expertin für Darmgesundheit und Leiterin des Grazer Instituts Allergosan, beschäftigt sich bereits seit 20 Jahren mit der Thematik – auch aus persönlichen Gründen. Nun hat sie ein Buch und Gesundheitsratgeber mit dem Titel „Was tun, wenn der Darm streikt?“ geschrieben. Dabei spricht sie Themen, die noch heute oft nur hinter vorgehaltener Hand angeschnitten werden – man redet ja nicht über Verdauungsprobleme – offen und auch humorvoll an. Zudem beinhaltet das Buch Erklärungen und Lösungsansätze: vom Symptomtagebuch über ein Darmtraining bis hin zu Ernährungstipps (siehe Interview Seite 20).

 

Mehr als nur ein Ort der Verdauung

Der Darm ist aber nicht nur der Ort der Verdauung. Er beheimatet auch einen wichtigen Teil des Nervensystems. Diese enge Verbindung macht manchen Menschen aber auch zu schaffen und zwar jenen, die am so genannten Reizdarmsyndrom leiden: Starke emotionale Belastungen können dann zu plötzlichem Durchfall, Blähungen, Völlegefühl oder Magendrücken führen. Stress könne sich massiv auf den Magen und das Verdauungssystem auswirken, weiß auch Frauwallner: „Nicht umsonst liegt der Darm in der Mitte unseres Körpers, an so einer zentralen Stelle. Er ist wie ein Motor. Und wir wissen alle, dass ein Motor nicht ohne Benzin und auch nicht ohne Schmierung läuft. Wird ein Motor nicht gepflegt, läuft er nicht rund.“

 

Doch nicht nur Erkrankungen, die direkt mit dem Darm zusammen hängen, haben dort ihren Ausgangspunkt. „Auch Allergien, Migräne oder andere chronische Erkrankungen können mit dem Bauch, mit der Verdauung zu tun haben. Leider wissen das nur wenige. Umso mehr freut es mich, dass langsam aber sicher der Darm in das Zentrum der Wahrnehmung rückt – auch bei Ärzten“, sagt Frauwallner.

 

Was also braucht der Darm, damit er gesund bleibt und seine fast schon exorbitante Arbeit verrichten kann? Die klassische Antwort kennt jeder: Eine gesunde, ausgewogene Ernährung. Was aber bedeutet das genau? „Viel Gemüse und Obst, weil sie wichtige sekundäre Pflanzenstoffe beinhalten. Diese wiederum liefern schützende Faktoren, die Entzündungen hemmen und die Zellteilung normalisieren“, erklärt Internistin und lebensweise-Fachbeirätin Irene Kührer, Oberärztin an der Universitätsklinik für Chirurgie in Wien. Zudem sollten etwa Vollkorn, Hülsenfrüchte, Nüsse, Soja, pflanzliche Öle, ab und zu fettarmes Fleisch sowie Milchprodukte auf unseren Tellern landen.

 

Pflanzliche Lebensmittel versorgen den Darm mit Ballaststoffen – laut Ernährungsexpertin Elisabeth Fischer (ebenfalls im lebensweise-Fachbeirat) das Fitnessprogramm für den Darm: „Indem Ballaststoffe aufquellen, sorgen sie dafür, dass der Darm in Bewegung bleibt und muskulöser wird. In der Folge binden sie Schadstoffe und scheiden diese aus.“ Unser Darm benötigt aber auch Milchsäurebakterien, manchen wohl besser bekannt unter dem Namen Probiotika, im Übrigen abgeleitet vom griechischen „pro bios“ – „für das Leben“. Diese lebenswichtigen Mikroorganismen findet man etwa in Joghurts oder Buttermilch. Um eine ausreichende Versorgung zu gewährleisten, sollten sie aber auch in Form von Nahrungsergänzungsmitteln eingenommen werden. Ebenso Vitamine: Selbst bei einer gesunden Ernährung bekommt der Körper heute meist nicht genug davon. Einerseits weil unsere Nahrung in den letzten Jahrzehnten deutlich an Vitamingehalt verloren hat. Andererseits weil Bakterien durch Stress und Medikamente absterben.

 

In der Folge können Vitamine, die wir durch die Nahrung zu uns nehmen, vom Körper nicht entsprechend verwertet werden. Ganz schlecht für den Darm sind hingegen Zucker, tierische Fette und Alkohol, sie gelten als Hauptursache für die Zunahme von Darmkrebs – eine der häufigsten Krebsarten in den westlichen Industrieländern. In Österreich kommen jährlich rund 5.000 Neuerkrankungen hinzu. Die gute Nachricht: Mittlerweile können rund zwei Drittel der Darmkrebspatienten geheilt werden, jedoch nur, wenn die Erkrankung früh genug entdeckt wurde. „Darmkrebs ist vermeidbar. Wir haben hierzulande ein perfektes Vorsorgesystem. Die Krankenkasse zahlt Menschen über 50 die Vorsorgeuntersuchung. Wurde bei dieser Untersuchung kein Polyp entdeckt, hat man sozusagen einen Persilschein für die nächsten fünf Jahre“, konstatiert Irene Kührer. 

 

Entscheidend ist die Ernährung

Leider nehmen österreichweit aber nur 16 Prozent diese Möglichkeit der Vorsorge wahr. Es wird empfohlen, ab dem 50. Lebensalter alle fünf bis zehn Jahre eine Darmspiegelung machen zu lassen. Sind Mutter, Vater oder Geschwister an Darmkrebs erkrankt, sollte man zehn Jahre vor dem Erkrankungsjahr des Angehörigen zur ersten Vorsorgeuntersuchung gehen. In 15 Prozent der Fälle besteht nämlich eine familiäre Neigung.

 

Bei Darmkrebs spielt neben der richtigen Therapie aber vor allem die Ernährung eine wichtige Rolle. Daher haben Elisabeth Fischer und Irene Kührer ein Kochbuch zusammen geschrieben: „Richtige Ernährung bei Darmkrebs – Essenslust stärkt Lebenskraft“. Dabei wurde sehr viel Wert auf den theoretischen Einführungsteil gelegt, betont Fischer: „Darin wird genau beschrieben, wie Darmkrebs entstehen kann, welche Therapien, welche Operationen möglich sind. Die Menschen haben leider nur wenig Ahnung und auch die Ärzte erklären Krankheit und Therapien leider oft zu wenig.“ Die Rezepte selbst sind einfach zuzubereiten und verfügen allesamt über eine große Nährstoffdichte. Das ist wichtig, so Kührer, denn „einerseits ist der Vitaminbedarf etwa bei einer Chemotherapie immens erhöht, andererseits nehmen die Patienten dadurch schon mit kleinen Portionen Nährstoffe zu sich.“ Wie man Übelkeit, Erbrechen, Verstopfung oder auch Durchfall entgegenwirken kann, sollte mit einem Diätassistenten abgesprochen werden. Doch nicht nur die Nebenwirkungen einer Chemo- oder Strahlentherapie sind problematisch, weiß Ernährungsexpertin Fischer: „Viele kämpfen mit Appetitlosigkeit. Daher muss das Essen gut riechen, leicht zu schlucken sein und frische Kräuter enthalten. Und damit die Patienten nicht zusätzlich an Substanz verlieren, muss die Ernährung fettbetont sein.“

 

Eine Frage des Lebensstils

Dennoch handelt es sich bei den Rezepten nicht um Krankenkost, vielmehr kann die ganze Familie mitessen. Dank einer Vielzahl köstlicher Drinks, Suppen – ob kalt oder warm – und Snacks werden Darmkrebspatienten dazu animiert, mehrere kleinere Mahlzeiten über den Tag verteilt zu sich zu nehmen. Freilich findet man auch viele Hauptgerichte, jedoch keine mit Fleisch, denn, so Fischer: „Manche Patienten ertragen Fleisch nicht mehr. Sie sagen, dass es eine Art Strahlengeschmack habe.“ Mit Gemüse-, Nudel- und Kartoffelgerichten sowie Rezepten mit Fisch kommt man über die verlorene „Fleisches-Lust“ gut hinweg. Und zu guter Letzt wird auch das süße Begehren gestillt.

 

Ob man nun an einer Verdauungsstörung leidet oder nicht, ob wir uns vor Darmkrebs oder anderen Krankheiten des Verdauungssystems schützen wollen, in jedem Fall kommt es darauf an, was wir essen. „Meiner Meinung nach ist die Jugend heutzutage einem gesunden Lebensstil gegenüber recht aufgeschlossen“, sagt Irene Kührer sichtlich erfreut. Je besser die Ernährung, desto gesünder der Darm. Kohlenhydrate, hochwertige Fette und Eiweiß nähren den Körper. Vitamine, sekundäre Pflanzenstoffe, Ballaststoffe und Probiotika stärken die Abwehrkräfte und helfen dem Darm dabei, die Nahrung entsprechend zu verwerten. Neben einer ausgewogenen Ernährung sorgen viel Bewegung und wenig Stress dafür, dass im Darm schließlich nicht der Tod sitzt, sondern hier die Gesundheit beginnt.                 

 

www.allergosan.at

www.oekopharm.at

www.elisabeth-fischer.at

www.irenekuehrer.at

www.tcmkongress.at

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