Was hilft, wenn nichts mehr hilft

Illustration: giz/Fotolia.de
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Prävention ist wichtig, ganzheitliche Auswege um den Absturz in die Burnout-Falle zu vermeiden gibt es reichlich. Wer die Kurve allerdings nicht mehr schafft, ist auf externe Hilfe angewiesen. Die lebensweise zeigt, was die Krankenkassen zahlen und wie die arbeitsrechtlichen Regelungen sind.

Von Richard Solder

Bei Michael (Name geändert, Anm.) zog der Betriebsarzt die Reißleine. Die Anforderungen im Job waren einfach zu groß geworden. Neben den regelmäßigen Aufgaben – schon Verantwortung genug – musste Michael in den vergangenen Monaten noch für einen wichtigen Kollege einspringen, Besprechungen leiten, Sitzungen abhalten, und und und. Als Endfünfziger war er dabei nicht mehr so belastbar wie junge Kollegen.

 

Depressionsanfälle und Panikattacken waren die Folge. „Der Arzt hat mit Sorge beobachtet, wie ich nicht mehr aus dem Strudel herausgekommen bin“, blickt Michael auf die schwierige Situation vor etwas mehr als einem Jahr zurück. Genug war genug. Der Mediziner schickte Michael sechs Wochen nach Kärnten auf Kur.

 

Burnout ist aber alles andere als ein Problem von der Altersgruppe über 50. Bei den 15- bis 49-Jährigen sind psychische Erkrankungen – inklusive Erschöpfungsdepression und Co – die Hauptursache für Arbeitsunfähigkeit und Invalidität. Im Jahr 2010 resultierten daraus 54 Prozent der Neuzugänge bei den Pensionsantritten. Bei der Gruppe bis 39 Jahre beträgt der Anteil sogar 61 Prozent.

 

Für Hans-Jörg Pruckner, Obmann der Bundessektion Allgemeinmedizin in der Ärztekammer und selbst praktizierender Arzt, handelt es sich bei „Burnout“ um ein Modewort. Psychologische und körperliche Leiden durch Überlastung habe es immer schon gegeben. „Dass das aufgrund des Drucks in unserer heutigen Gesellschaft mehr geworden ist, ist jedoch unbezweifelbar“, sagt Pruckner.

 

Auch der Hauptverband der Sozialversicherungsträger kennt kein Krankheitsbild Burnout. Für die Behandlung der damit verbundenen Symptome sei das egal, meint Pruckner. Es gehe darum, Menschen krank schreiben zu können, wenn es nötig ist, und das sei auch so möglich.

 

Das Syndrom macht sich in unterschiedlicher Form bemerkbar – von der Erschöpfungsdepression oder Panikattacken, wie bei Michael bis hin zu rheumatischen Beschwerden. Es können mitunter psychosomatische Leiden entstehen, die mit bestimmten Faktoren, wie der Arbeitsstätte, zusammenhängen und nur durch persönliche Schritte wie einem Jobwechsel gelöst werden können.

 

Je nach Diagnose leitet der behandelnde Arzt die weiteren Schritte ein: etwa das Hinzuziehen von Fachärzten, oft Psychologen oder Psychotherapeuten, oder die Beantragung einer Rehabilitation. Geprüft wird dieser Antrag von der Pensionsversicherungsanstalt, die zudem die Kosten der Behandlung übernimmt. Der Betroffene selbst muss eine tägliche Zuzahlung zwischen sieben Euro und 17 Euro je nach Einkommen beisteuern.

 

Pensionsversicherung übernimmt Rehabilitation

Wieso wird dabei die Pensionsversicherung aktiv? Die PVA ist immer dann gefragt, wenn ein Versicherter bereits arbeitsunfähig ist oder die Gefahr dafür besteht. Gelingt nämlich eine Rehabilitation nicht, droht die Frühpension. Und dann müßte die Pensionsversicherung zahlen. Sie hat also ein vitales, ökonomisches Interesse, zum Gelingen einer Rehabilitation beizutragen.

 

Wer krank ist, muss vom Arbeitgeber weiterbezahlt werden. Die Dauer dieser Entgeltfortzahlung hängt von der Betriebszugehörigkeit ab. In den ersten fünf Jahren haben Arbeitnehmer Anspruch auf sechs Wochen volles und vier Wochen halbes Entgelt pro Arbeitsjahr. Bei sich wiederholenden Erkrankungen gelten eigene Regelungen für Angestellte und Arbeiter. Besteht kein Recht mehr auf Entgeltfortzahlungs pringt die Krankenkasse ein und leistet Krankengeld. Das gibt es längstens ein Jahr. Wer dann mindestens 13 Wochen arbeitsfähig ist, kann es erneut beantragen.

 

Die Arbeiterkammer (AK) verweist darauf, dass Kranke nicht vor einer Kündigung geschützt sind. „Das ist eine reelle Gefahr“, warnt die AK-Arbeitsrechtsexpertin Irene Holzbauer.

 

Wer den Gang zurück in die Berufswelt nicht mehr schafft, hat die Möglichkeit, eine Invaliditätspension zu beantragen. Die Entscheidung darüber fällen medizinische Gutachter. Bei Ablehnung muss ein Job-Neustart versucht werden, ansonsten bleiben nur Arbeitslosengeld bzw. Notstandshilfe.

 

Bei Zuerkennung der Pension droht womöglich manchem jungen Arbeitsunfähigen trotzdem eine schwierige Situation: Da er oder sie erst wenige Arbeitsjahre mit Einstiegsgehältern hinter sich hat, kann die Invaliditätspension sehr klein ausfallen. Die Betroffenen müssen sich oft mit wenigen hundert Euro im Monat durchschlagen oder auf familiäre Unterstützung hoffen.

 

Als besonders Burnout-gefährdet gelten Selbständige. Die Sozialversicherung der gewerblichen Wirtschaft (SVA) bietet nicht nur Vorsorge-Untersuchungen und Burnout-Prävention an. In wenigen Monaten startet die SVA auch ein Pilotprogramm einer stationären Rehabilitation für jene, für die die Vorbeugung zu spät kommt. Mindestens 22 Tage lang sollen Unternehmerinnen und Unternehmer in Bad Pirawarth unter anderem mittels psychologischer Beratung und Bewegungstherapie aktiviert werden. Das Projekt soll noch während seiner Dauer evaluiert werden.

 

Was die finanzielle Situation angeht, sollten Selbstständige auf mögliche längere Krankenstände besonders gut vorbereitet sein. Denn in den meisten Fällen deckt die Pflichtversicherung einen Verdienstentgang nicht ab. Über Zusatzversicherungen ist es möglich, Krankengeld bei Arbeitsunfähigkeit bzw. Taggeld bei Spitals- oder Erholungsaufenthalten zu beziehen.

 

Neben privaten Versicherungen bietet die SVA diese Leistungen an: Dabei werden diese ab dem vierten Tag der Arbeitsunfähigkeit ausbezahlt. Bei andauernder Krankheit bekommen Betroffene maximal 26 Wochen lang die Leistung, auch wenn zu der zuerst bestehenden.

 

Selbstständige brauchen eigene Versicherung

Kosten und Leistungen der SVA-Zusatzversicherung orientieren sich an der Beitragsgrundlage: Regelmäßig sind 2,5Prozent davon zu bezahlen. Im Fall der Fälle wird die Grundlage für eine tägliche Bemessungsbasis durch 30 dividiert. Davon bekommt der Kranke 60 Prozent als tägliches Krankengeld beziehungsweise 80 Prozent als Taggeld. Für den „klassisch“ angestellten Michael ging es nach den sechs Wochen Rehabilitation wieder zurück an den Arbeitsplatz. Geholfen hätten Auszeit und Therapie sehr, meint er heute. Trotz allem war es wieder schwer, sich im Betrieb nicht gleich wieder unzählige Aufgaben aufhalsen zu lassen. Burnout-gefährdete Menschen müssen - auch wenn sie wieder gesund sind - immer aufpassen, sich nicht zu übernehmen.

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