Straßenverkehr: Die Kleinen sind die großen Verlierer

Foto: Hutter/privat
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Von Hans-Peter Hutter*

 

Gleich vorweg: Kinder sind von den vielfältigen gesundheitlichen Auswirkungen des Verkehrs stärker betroffen als Erwachsene. Autoabgase wie Ultrafeinstaub, Stickstoffdioxid und Co haben es in sich. Kinder, die an viel befahrenen Straßen wohnen, leiden häufiger an Atemwegserkrankungen wie Bronchitis und Asthma. Aber nicht nur die Lunge ist betroffen, auch die geistige Leistungsfähigkeit leidet: So nehmen bei Kindern mit steigender Exposition gegenüber Rußpartikeln bestimmte Intelligenz- und Gedächtnisleitungen ab. 

Apropos Gehirn: Nächtlicher Verkehrslärm wirkt sich hier ebenfalls negativ aus, er beeinträchtigt die Schulleistung und die psychische Gesundheit von Kindern. Aggressives Verhalten, erschwertes Lernen und geringerer Schulerfolg konnten bei stärker lärmbelasteten Kindern beobachtet werden.

Neben Schadstoffen und Lärm zählen auch komplexe Materien wie psychosoziale Zusammenhänge und vom Auto verursachter Bewegungsmangel zu den Folgen des Straßenverkehrs. So hat beispielsweise die Angst vor Unfällen immer mehr Eltern veranlasst, ihre Kinder mit dem Auto in die Schule zu bringen und wieder abzuholen. Kinder bewegen sich dadurch noch weniger. Die Folgen mangelhafter Bewegung sind zwar bekannt, dazu zählen etwa Übergewicht und Diabetes, sie werden aber gerne ignoriert – übrigens ebenso wie der Benefit von mehr Bewegung. So wirkt sich der zu Fuß (oder per Rad) bewältigte Schulweg positiv auf die Kindergesundheit aus: Weniger Depressionen und Angst und verbesserte motorischen Fähigkeiten sind eine Folge davon.

Mittlerweile existieren Unmengen an wissenschaftlicher Evidenz für die Vielzahl von negativen Gesundheitsfolgen, die man so zusammenfassen kann: Kinder sind eindeutig die Verlierer der derzeitigen Verkehrssysteme. Zwar wurden dutzende Konzepte und Empfehlungen zur Frage erarbeitet, wie kindergerechte Mobilität gefördert werden kann. Trotzdem wird kaum etwas davon umgesetzt. Seit Jahrzehnten existiert dafür dasselbe Bild: Autofahrer-Melkkuhklagen und Parkplatzdiskussionen walzen schon auf lokaler Ebene alles nieder, was zukunftsweisende und gesunde Mobilität betrifft. Zudem werden Gesundheitsfolgen von Auto-Lobbyisten heruntergespielt.

Dem muss entschiedener als bisher entgegen getreten werden. Die Politik sollte sich viel mehr für die Gesundheit der Kinder als für Parkplätze einsetzen. Konzepte gibt es, wie gesagt genug, ebenso viele wie politische Absichtserklärungen. Nun geht es um die rasche Umsetzung einer kinderfreundlichen Stadt- und Verkehrsplanung.

 

*Hans-Peter Hutter ist Facharzt für Hygiene und Mikrobiologie (Fokus Umweltmedizin) und Landschaftsökologe am Institut für Umwelthygiene der Meduni Wien, dort leitet er die Forschungseinheit „Child Public Health.

 

 

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