Gedanken und Ideen der lebensweise-Experten

Expertinnen und Experten verschiedener ganzheitsmedizinischer Bereiche unterstützen als Fachbeiräte die lebensweise-Redaktion. Hier treten sie vor den Vorhang und stellen ihre Gedanken vor. Diesmal schreiben die beiden Umweltmediziner Hans-Peter Hutter und Hanns Moshammer sowie der Akupunkturarzt Leopold Dorfer über die Themen Allergie und Intoleranzen.

Wider die Natur Umweltverschmutzung und Allergie-Zunahme stehen in einem direkten Zusammenhang. Von Hans-Peter Hutter und Hanns Moshammer.

 

Der Begriff „Allergie wurde Anfang des 20. Jahrhunderts vom Wiener Kinderarzt Clemens Pirquet geprägt. Allergie ist somit ein eher neues Phänomen. Heute sind mindestens 30 Prozent aller Kinder gegenüber Inhalationsallergenen sensibilisiert. Familiäre Häufung belegt eine starke genetische Komponente. Aber der rapide Anstieg der Prävalenz kann nicht genetisch erklärt werden. Wenn man alles, was nicht angeboren ist, als „Umwelt bezeichnet, dann sind Umweltfaktoren für diese Allergie-Zunahme verantwortlich.

In Folge der Industrialisierung nahm die Luftverschmutzung deutlich zu. Zusätzlich war zu beobachten, dass Allergien häufiger bei Stadtkindern als am Land auftraten. Was lag daher näher als die Vermutung, dass Luftschadstoffe die Allergieentwicklung der Atemwege begünstigen? Tatsächlich konnte tierexperimentell gezeigt werden, dass die gleichzeitige Verabfolgung von Reizgasen die Allergenität von Allergenen verstärkte. Unbestritten ist auch, dass Patienten mit einer Allergie stärker unter Luftschadstoffen leiden.

Doch als sich die Luftqualität in Westeuropa ab den 1960er-Jahren durch eine Reihe technischer Maßnahmen verbesserte, stieg die Allergierate trotzdem weiter an. In Osteuropa, wo die Luftreinhaltung nicht so erfolgreich verlief, blieb die Erkrankungsrate hingegen geringer. Also müssen auch andere Faktoren (Lebensstil) für den Anstieg verantwortlich sein.

Sehr deutliche Unterschiede zeigten sich zwischen Kindern, die am Bauernhof aufwuchsen und dadurch offenbar geschützt waren, und Kindern, die in urbaner Umgebung aufwuchsen. Die „Hygienehypothese meint, dass der frühkindliche Kontakt mit vielfältigen, i.d.R. harmlosen Keimen das Immunsystem trainiert, während ein untrainiertes Immunsystem später zu Fehlverhalten im Sinne einer Allergie neigt.

Entscheidend dürfte der Verlust der mikrobiellen Vielfalt unserer engsten Umwelt sein. Dazu trägt unsere moderne Lebensweise bei: Einsatz vieler Haushaltschemikalien, die zur Reinigung, zur Desinfektion und zur Beduftung oft völlig wahllos eingesetzt werden. Nicht zu vergessen: Auch die moderne chemisierte Ernährung trägt zu einer Verarmung der Darmflora bei.

Die Ursachen für den Allergieanstieg sind sicher vielfältig. Aber im Grunde ist eine Allergie, eine unangepasste, überschießende Reaktion auf einen harmlosen Wirkstoff aus der Umwelt, nur ein sichtbarer Ausdruck unserer eigenen unangepassten, oft feindseligen Einstellung gegenüber unserer natürlichen Umwelt als Gesellschaft.   —

 

Akupunktur: Gerade bei Allergien könnten TCM-Therapien helfen, Symptome deutlich zu lindern. Von Leopold Dorfer.

 

Allergien auf Pollen, Staub oder Milben aber auch Lebensmittel könnte man beinahe als Lieblingsindikation für den Akupunkturbereich bezeichnen. Bei klassischen Intoleranzen im Nahrungsmittelbereich ist es hingegen komplex. Bei den Allergien muss man aber natürlich sagen, dass die Akupunktur diese nicht heilen kann. Eine Linderung ist allerdings sehr gut möglich und auch durch unterschiedlichste Studien belegt: Bei mindestens 90 Prozent der betroffenen Patienten ist eine Abschwächung der Symptome möglich.

Grund dafür ist, dass gerade das Immunsystem mit Akupunktur gut bearbeitet werden kann. Und bei Allergien ist es ja gerade das Immunsystem, das, salopp formuliert, verrückt spielt. Durch eine Akupunkturbehandlung lassen sich Beschwerden reduzieren und Patienten müssen zum Beispiel nicht mehr so oft Medikamente wie Antiallergika nehmen. Viele Pollenallergiker brauchen sie also nicht mehr während der gesamten Allergiesaison, sondern nur noch an Tagen mit sehr hohen Konzentrationen. Damit lassen sich dann natürlich auch Kosten sparen und nicht zuletzt Nebenwirkungen reduzieren. Manche Patienten bleiben auch oft auf einem bestimmten Status und die Allergie verschlechtert sich nicht.

Ähnliche Erfolge hat die Akupunktur auch im Bereich der Autoimmunerkrankungen, die ähnlich wie Allergien zunehmen. Auch bei Rheuma, Morbus Bechterew oder Schilddrüsenerkrankungen attackiert das Immunsystem des Körpers planlos irgendwas. Hier gilt ebenfalls: Die Akupunktur kann gut Behandlungen unterstützen, aber nicht heilen.

 

Je gesünder der Darm, desto leichter kann er stabilisieren

 

Wesentlich komplexer ist die Situation bei Intoleranzen, wo es Störungen oder ein Fehlen von Enzymen gibt. Dadurch entstehen etwa im Darm pathologische Folgen und es werden Gase produziert oder die Verdauung gestört. Die Enzymproduktion lässt sich mittels Akupunktur allein nicht steuern, sehr wohl geht das aber etwa unterstützend mit TCM-Kräutern und chinesischen Entspannungs- und Massagepraktiken wie Tuina, Qigong und Tai-Chi. Wichtig ist hier vor allem, den Darm zu seinem gesunden Zustand zurückzuführen. Denn je gesünder der Darm, umso besser kann er die Situation stabilisieren.

In der Praxis arbeitet ein Akupunkteur mit lokalen Punkten im Bauch und Rücken sowie mit Fernpunkten bei bestimmten Meridianen. Ziel dabei ist, etwa durch die Wirkung der Nadeln die Darmdurchblutung anzuregen. Die Idee dabei: es kommen mehr Nährstoffe und Sauerstoff in den Darm und auch alle Organe des Bauchraumes werden aktiviert. Die Fernpunkte liegen im Bereich der Finger und Ellbogen sowie im Knie. Hier geht es auch um das Thema Stress. Denn viele Verdauungsprobleme haben auch ihre Ursache im Stress. Sehr entscheidend in diesem Zusammenhang ist aber natürlich auch die Ernährung. Sie sollte ausgewogen sein, biologisch und am Besten saisonal und regional.

In Summe kann gesagt werden, dass gerade bei Allergien und Unverträglichkeiten die gesamte Situation einer Patientin oder eines Patienten analysiert werden muss. Gerade in der traditionellen chinesischen Medizin findet so eine ganzheitliche Betrachtung statt.   —

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