Ein anderes Wirtshausgespräch

In der Alten Schule in Riedenthal bei Wolkersdorf drückt seit Jahren kein Taferlklassler mehr die Schulbank. Nun lesen Freunde guten Essens von den Tafeln, was Starkoch Manfred Buchinger ankündigt. Johannes Gutmann, Betreiber der Firma Sonnentor, amüsiert sich darüber köstlich. Ein Gespräch zwischen Koch und Kräuterfex.*

Johannes Gutmann hat mit dem Kräuterunternehmen angefangen, als das noch keiner für realistisch gehalten hat. Manfred Buchinger ist zu seinen Wurzeln auf dem Land zurückgekehrt. Unterschiedliche Karrieren?

 

Manfred Buchinger: Da ist nicht so viel Unterschied. Während meiner Karriere in Wien war ich als der grüne Koch verschrien. Ich hatte schon 1985 drei vegetarische Gerichte auf der Speisekarte. Das hat mir keiner vorgeschrieben. Ich habe immer etwas gemacht, das irgendwie anders war.

 

 

Warum das?

 

Buchinger: Es war einfach spannend, aus Gemüse etwas zu machen, das schmeckt. Oft hat dann einer nur gesagt: Pah, das hört sich gut an! Habt ihr auch ein Sirloin-Steak? Da müsste man eigentlich aufgeben. Aber ich habe immer gewusst, der Trend kommt noch.

 

 

 

Das war eher intuitiv?

 

Buchinger: Natürlich. Ich bin ja kein Hellseher.

 

Gutmann: Das ist es: Spüren und warten, was daraus wird …

 

Buchinger: … und ein Risiko eingehen, ein bisschen eines. Kein Hochrisiko wie Spieler. Aber es ist auch Risiko, wenn du jeden Tag etwas machst, von dem du nicht weißt, ob es dir auch einer abkauft. Und irgendwann ist es en vogue.

 

Gutmann: Plötzlich ist man in. Bei uns war das gleich.

 

 

 

Sie haben einmal gesagt, das Gasthaus in Wolkersdorf ist ein Protest. Wogegen?

 

Buchinger: Gegen das konfektionierte Zeug und dagegen, dass viele Leute nicht kapieren, dass etwas, das mit den Händen gemacht ist, auch etwas kosten muss. Ich bräuchte in der Küche nur einen Mann, wenn der nur nach hinten greifen muss, links die Fritteuse, wo er die Pommes reinhaut, und rechts den Grill, wo er zwölf Koteletts gleichzeitig wendet. Ich will aber zeigen, dass es noch echte Küche gibt.

 

 

 

Was ist überhaupt Essen?

 

Buchinger: Eine Elferfrage. Erstens brauchen wir es zur Ernährung, zweitens, um unser Genussempfinden am Leben zu erhalten, und drittens soll es Spaß machen. Essen ist der Treibstoff des Lebens. Je besser man diesen Treibstoff aufbereitet, desto nahrhafter. Sprit und Spirit.

 

Gutmann: Ich denke an meine Jugend am Bauernhof, wo ich gelernt habe, wie etwas schmeckt, wenn es frisch aus der Erde kommt. Oder frisch zubereitet ist. Bei den Karotten aus dem Garten habe ich gewusst, die hat die Mutter gesät, ich habe sie gejätet, jetzt beiße ich hinein. Das hat geschmeckt!

 

Buchinger: Essen wir Tiere, verdient das besondere Achtung. Wenn Fleisch die Form von Krakauer oder Leberkäse hat, erinnert sich keiner an ein Schwein oder ein Rind, an ein Lebewesen. Deswegen verarbeiten wir in der Küche auch alles, nicht bloß Edelteile. Das bin ich unseren Weinviertler Viechern schuldig.

 

Gutmann: Mit der täglichen Ernährung tu' ich mir selbst etwas Gutes. Ein sorgsamer Umgang mit sich selbst ist der erste Schritt, mit den Schätzen der Natur achtsam umzugehen.

 

 

 

Worauf kommt es beim Einkauf an?

 

Buchinger: Ich versuche in der Gegend zu kaufen und bekomme dann oft gleich ein halbes Rind. Also muss ich mir überlegen, wie ich es in dem Zeitrahmen, in dem es immer besser wird, auch verarbeite und verkaufe. Regionalität ist mir ganz wichtig. Am Beispiel des benachbarten Marchfeldes erleben wir, wie Supermärkte ganze Landstriche zerstören. Bevor der Spargel in Österreich reif ist, kaufen die Konzerne unheimliche Mengen Spargel aus Spanien und werfen ihn auf den Markt. Das Kilo kostet nur drei Euro, der Marchfeld-Spargel aber sieben oder acht Euro. Die Leute kaufen den grauslichen Billigspargel, bringen damit nichts zusammen und damit ist der Spargel für sie gegessen. Bis endlich der Marchfeld-Spargel gestochen wird, haben die Supermärkte keine große Nachfrage mehr und drücken sofort den Preis.

 

Gutmann: Jeder ist verantwortlich, wen und was er mit seinem Einkauf unterstützt. Ich halte biologische Landwirtschaft mit nachhaltiger Arbeitsweise für eine gute Alternative. Saisonale Produkte von regionalen Anbietern findet man auf Wochenmärkten oder im Ab-Hof-Verkauf. Man sollte fragen: Wo bekomme ich das Beste für mein Geld, nicht: Wo bekomme ich das Meiste für mein Geld.

 

 

 

Was sind die kulinarischen Highlights von Johannes Gutmann?

 

Gutmann: Ich bin Fan unserer Waldviertler Spezialitäten. Ich liebe gebratene Steinpilze oder Schwammerl mit Ei, alle Gerichte mit Mohn. Auch Erdäpfelspezialitäten, mit Kräutern und Gewürzen verfeinert, machen mich glücklich.

 

 

 

Sie empfehlen, Tee zum Essen zu genießen. Wie passt das?

 

Gutmann: Ich liebe Tee zum Essen. Die vielen Teesorten bergen ein unglaublich umfangreiches, leider noch wenig bekanntes Potenzial für Genießer. Man kann Tee mit Wein vergleichen, so vielfältig sind seine Nuancen im Geschmack. Wenn Tee zur Speise passt, kann er das kulinarische Erleben intensivieren.

 

 

 

Wie gewinnt ein Wirt das Vertrauen der Lieferanten?

 

Buchinger: Ganz praktisch: Es ist gut, wenn man gleich bezahlt. Das sind Bauern nicht gewohnt. Er sagt mir, wie viel das kostet, und ich sage: Passt. Abgesehen davon habe ich ihn auf die Idee gebracht, Galloway-Rinder zu züchten. Ich kaufe sie und erzähle von ihnen, wo es möglich ist. Wenn die anderen ihm sagen: Jetzt ist deine Kuh sogar schon im Fernsehen, freut ihn das zusätzlich.

 

Gutmann: Diese Wertschätzung bekommen Bauern selten.

 

Buchinger: Das Produkt ist einfach gut und ich mache etwas daraus, selbst wenn nicht jeder Ochse und jeder Stier gleich sind.

 

Gutmann: Wir halten es ebenso. Wir geben den Bauern einen gerechten Lohn und sagen unseren Produzenten: Wir glauben an dich, du kannst es, und wir werden aus dem, was du heute gebracht hast, das Beste machen.

 

 

 

Was heißt Regionalität?

 

Buchinger: Wenn der Krexner-Bauer da drüben beim Bach Rinder stehen hat, ist das superregional. Bei dem, was der Kunde heute von dir fordert, musst du aber schon ein bisschen weiter herumschauen. Regionalität wäre zu eng gefasst, wenn ich nur dem Nachbarn die Petersilie vom Acker abkaufe. Außerdem, was ist, wenn es ihm die Petersilie gerade verregnet hat? Regeln sind gut, aber Ausnahmen sind wichtig!

 

Gutmann: Wir bei Sonnentor haben definiert, dass alles, was 200 Kilometer im Umkreis wächst und produziert wird, regional ist.

 

 

 

Ist Pfeffer noch regional?

 

Buchinger: Auf alles, das von weiter herkommt, zu verzichten, wäre mir zu eng. Da braucht es andere Kriterien. Beispielsweise soll Pfeffer so fair wie möglich gehandelt werden.

 

Gutmann: Wir wollen schon wissen, wo der Pfeffer wächst und wie die Arbeitsbedingungen der Menschen dort sind. Mit unseren eigenen Anbauprojekten in fremden Ländern haben wir vieles selbst in der Hand. Unser Prinzip ist: Leben und leben lassen. Wenn die Lieferanten gerne mit uns reden und nicht die Finger nachzählen müssen, wenn sie uns die Hand geben, haben wir langfristig etwas Gutes zu verkaufen. —

 

 

 

 * Das Gespräch wurde der lebensweise vom Residenzverlag zu Verfügung gestellt und stammt aus dem Kochbuch „So schmeckt die Freude“ von Gutmann und Buchinger. Es wurde im dort ungekürzten Original von Christine Haiden geführt.

 

 

Foto: aus dem Kochbuch: Manfred Buchinger, Johannes Gutmann „So schmeckt die Freude“; Residenz Verlag; 238 Seiten; 29,90 Euro; ISBN: 3701732175

 

 

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