"Den Körper als Kraftquelle nutzen"

Tanz ist nicht einfach nur Bewegung oder Körpererfahrung, nicht selten werden Tanzformen auch mit Therapiemethoden kombiniert. Die Psychotherapeutin Romana Tripolt beispielsweise setzt Tanz in der Traumatherapie ein. Über die Möglichkeiten sprach sie mit Ulli Moschen.

 

lebensweise: Sie sind Psychologin und Psychotherapeutin und setzen in Ihrer Arbeit auch Tanz ein. Wie funktioniert das und was bringt es?

Romana Tripolt: Mithilfe des natürlichen Tanzes, der entsteht, wenn wir es wagen, uns mit Achtsamkeit und Hingabe zu bewegen, öffnen wir sanft unseren Körper. Dies bringt Geschichten, die aus unserem Inneren kommen, wieder ins Bewusstsein. Die Wege der Heilung tanzend zu beschreiten, steht für ein kraftvolles, ressourcenorientiertes psychotherapeutisches Vorgehen. Der Metapher des Tanzes gelingt es, dem seelischen Leiden und dem Weg daraus die Schwere zu nehmen und den Fokus auf die inneren Kraftquellen zu richten, die jedem Menschen innewohnen.

 

lebensweise: Wie kann ich mir das vorstellen?

Tripolt: In der Einzelarbeit verwende ich vor allem die bewusste Bewegung, die entsteht, wenn sich alte Verspannungen lösen, und deren Kombination, als persönlichen „Tanz“ in Bezug auf das gerade bearbeitete Thema. Jede Verspannung ist ein unterbrochener, festgehaltener Versuch des Körpers, sich zu bewegen. Diese Bewegungen werden mit sanfter Aufmerksamkeit aufgespürt und vollführt. Das führt zu Entspannung und dem befreiten Fluss der Gefühle, die sich nur verändern, wenn wir sie in Bewegung bringen und leben. Ich empfehle bewussten Tanz als Vorbereitung und Ressource für die Trauma-Verarbeitung und verwende ihn als generelle Metapher für die therapeutische Beziehung und die Beziehungsgestaltung und darüber hinaus global für Bewegungen - den Tanz des Lebens.

 

lebensweise: Wie wirkt diese Kombination?

Tripolt: Das Finden und Verstärken von Bewegung, die immer im Körper stattfindet, bewirkt Veränderung. Frei nach dem englischen Spruch: Motion comes first - Emotion follows. Diese Veränderung bewirkt natürlicherweise eine Transformation und hilft dem Organismus, seine Balance wiederzufinden. Körperarbeit und bewusster Tanz trainieren den Körper, bereit dafür zu sein, starke Emotionen zu halten und damit umzugehen. Wenn man buchstäblich sicher und balanciert auf den Füßen steht, lösen selbst heftige Gefühle keine Ängste mehr aus. Wenn der Körper weiß wie, findet er das Gleichgewicht und damit die Balance wieder. Bewusste Bewegung erhöht das Sicherheitsgefühl im Körper und vergrößert das Toleranzfenster, innerhalb dessen Fühlen und Denken möglich sind. Den Körper auf diese Weise als Kraftquelle zu nutzen, hilft den Klienten, sich wieder mit den Bedürfnissen des Körpers zu verbinden.

 

lebensweise: Wie sind Sie zur Verbindung von Therapie und Tanz gekommen?

Tripolt: Ich tanze selbst seit elf Jahren 5 Rhythmen, genauso lange wende ich EMDR mit großem Erfolg in meiner Arbeit mit Menschen an, die an den Folgen von Gewalt oder sexueller Gewalt leiden. EMDR, kurz für Eye Movement Desensitization and Reprocessing, ist eine von Francine Shapiro (USA) entwickelte Behandlungsmethode, die bei psychischen Traumatisierungen, Ängsten und einer Vielzahl von anderen Belastungen angewandt wird. Vor zwei Jahren habe ich ein Training in 5Rhythm Movement Therapy bei der Amerikanerin Andrea Juhan absolviert. Die positiven und inspirierenden Erfahrungen mit beiden Methoden haben begonnen, meine Arbeit zu beeinflussen und ich begann, beide Ansätze systematisch zu kombinieren. EMDR bietet durch die Einbeziehung von kognitiver, emotionaler und körperlicher Ebene die Chance einer ganzheitlichen, integrierenden Herangehensweise.

 

 

Zur Person: Romana Tripolt ist Psychologin, Psychotherapeutin und Psychotraumatherapeutin. Sie verbindet EMDRTraumatherapie mit bewußter Bewegung und Tanz. EMDR ist eine Behandlungsmethode, die bei psychischer Traumatisierungen, Ängsten und einer Vielzahl von anderen Belastungen angewandt wird.

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