Irdisches Heil in Klöstern

Auszeit im Kloster, dabei die Gesundheit fördern. Zum Beispiel beim Qigong, angeboten von den Schwestern in Marienkron. Foto: www.marienkron.at
Auszeit im Kloster, dabei die Gesundheit fördern. Zum Beispiel beim Qigong, angeboten von den Schwestern in Marienkron. Foto: www.marienkron.at

 

Ein Kloster (von lat. Claustrum) ist ein verschlossener Ort, aber auch Stätte der Kraft und Quelle des nicht nur himmlischen Heils: Immer mehr christliche Klöster haben Gesundheitsangebote, die von immer mehr Gästen gerne angenommen werden – von A wie Abnehmen bis Z wie Zen.

 

Von Martin Link

Die Bibel, das so genannte Buch der Bücher, ist in einigen Passagen auch so etwas wie ein medizinisches Kompendium. Eine Kurzzusammenfassung in dieser Hinsicht bietet der Evangelist Matthäus, wenn er etwa schreibt: „Und Jesus zog umher in ganz Galiläa, lehrte in ihren Synagogen und predigte das Evangelium von dem Reich und heilte alle Krankheiten und alle Gebrechen im Volk.“

 

Wie war das? Er heilte alle Krankheiten und Gebrechen im Volk? Jesus, ein Medizinmann und Wunderheiler? Heißt es nicht auch christliche Heilslehre? Ein Teil dieser Tradition lebt fort in den heimischen Klöstern. Und trotz aller politischen Debatten rund um die Kirche gehen den heimischen Klöstern die Gäste nicht aus. „Durch den klösterlichen Lebenshintergrund war die Gastfreundschaft stets ganzheitlich ausgerichtet auf ein Erlebnis für Leib und Seele“, betont Hermann Paschinger von der Geschäftsstelle des Vereins „Klösterreich“, dem mittlerweile 21 Klöster, Stifte und Orden in Österreich und den angrenzenden Nachbarstaaten angehören. Ist das Heilsame von altersher Bestandteil der klösterlichen Lebenswelt, so ist neu, dass heute manche Klöster ganz bewusst Angebote machen, mit denen ihre Gäste zur ihrer Mitte finden, Lebensfreude schöpfen und ihre Gesundheit stärken können.

 

Als „Kurhaus und Kloster“ sieht sich zum Beispiel die Zisterzienserinnen-Abtei Marienkron im Burgenland. „Gemeinsam mit den Ordensschwestern der Zisterzienserinnen bemühen wir uns um eine einzigartige Atmosphäre, in der unsere Gäste Kraft an Leib und Seele tanken“, sagt Gabi Lechner, Direktorin des Hauses. Das Angebot dazu reicht von „Kloster auf Zeit zum Durchatmen“ über fernöstliche Entspannungstechniken bis hin zu kreativen Seminaren wie Malen in fröhlicher Runde. „Meine Zeit in Marienkron gibt mir nicht nur neue Kraft, es tun sich auch in der Begegnung mit den Schwestern und in den Gesprächen mit anderen Gästen neue Aspekte für mein Leben auf“, berichtet die Wiener Managerin Elisabeth Schwarz, die seit einigen Jahren immer wieder Auszeit von ihrer leitende Funktion in einem Telekommunikationsunternehmen nimmt.

 

Seit 1969 führen die Ordensschwestern das Vier Sterne-Haus in Mönchhof im Burgenland mit dem Schwerpunkt auf Kneippkuren und Ganzheitstherapien für Körper, Geist und Seele. In den fast 30 Behandlungsräumen reicht das Angebot von Massagen über Kneipen und Wirbelsäulen- sowie Wassergymnastik bis zu Qigong. „Der Rhythmus von Kurhaus und Kloster hilft beim Einüben einer heilsamen Lebensordnung und schenkt neue Belastbarkeit, so dass der Kurgast mit einer positiven Lebenseinstellung wieder zurück in seinen Alltag gehen kann“, unterstreicht Schwester Marjam Dinkelbach, die  Äbtissin von Marienkron, die Wirkung.

 

Burnout-Vorbeugung

Mit allen Sinnen im Augenblick aufmerksam da sein – diesem Ziel folgen die Marienschwestern vom Karmel, die traditionelle Kneipphäuser in Aspach, Bad Kreuzen und Bad Mühllacken betreiben. „Die Atmosphäre der Ruhe lässt unsere Gäste dem Alltag gestärkt entgegen gehen und einen neuen Einklang von Seele, Geist und Körper finden“, verspricht Schwester Emmanuela Reichl. Dabei orientieren sich die Marienschwestern an den aktuellen Bedürfnissen der Gesellschaft. In Aspach beispielweise hat man sich auf Stressabbau, Entspannung, Burnout-Prävention, Regeneration und Meditation spezialisiert. Man versuche, die Gäste auf dem Weg zu sich selbst zu begleiten. Der Weg dorthin, erklärt Schwester Emmanuela, führe mitunter durch das „Labyrinth der Sinne“ und über „Wasser-Klang-Erlebnisse“, durch die sich „ganz neue Bewusstseinsebenen erschließen“.

 

Der Klostergarten ist seit Jahrhunderten bekanntermaßen Quelle für die Gesundheit, in alten Büchern wurde das Wissen um Heilkräuter und -kräfte festgehalten und an die nächste Generation weitergegeben. Und genau darauf, auf Ernährung, Fasten, Entschlacken, Abnehmen ohne Diät und auf den Einsatz von Heilpflanzen sind die Marienschwestern in Bad Mühllacken spezialisiert. Ihren Beitrag zum Gesundwerden leistet auch die geografische Lage am Eingang zum Naturschutzgebiet Pesenbachtal, die sich durch ein sehr mildes Klima auszeichnet. Die Gesundheit hat, betont Schwester Goretti, hier eine jahrhundertelange Tradition: Schon seit 1364 wird die Bruno-Quelle im Pesenbachtal zu Heilzwecken eingesetzt. Darauf achten auch die Köchinnen, indem sie bei ihren Kreationen auf regionale Lebensmittel zurückgreifen.

 

Vielen Stiften, Abteien und Klöstern ist ihre auserwählte Lage gemeinsam – das gilt auch für die Benediktiner von Altenburg im Kamptal. „Unsere Gäste sind eingeladen, an unserem Leben teilzunehmen“, sagt Abt Pater Christian Haidinger. Dies bedeute zum Beispiel, sich in den gleichbleibenden und ausgewogenen Rhythmus von Gebet, Lesung und Arbeit einzufügen: Der Tag beginnt mit dem Sonnenaufgang, mit Vigilien und Laudes um sech Uhr, es folgen die Horen der Studienliturgie, die den Tag einteilen. Wie die Pause zum Rhythmus gehört, gehört auch die Ruhe zur Bewegung. Neben vielen entschleunigenden Angeboten finden sich in den Klostermauern auch Einladungen zur körperlichen Aktivität: So kann man „Niederösterreich laufend genießen“ bei den Benediktinern in Göttweig. Deren imposantes Stift ist Ausgangs- und Endpunkt einer 4,2 Kilometer langen Runde, die hügelig und daher relativ selektiv ist.

 

Meditation und Atemübungen

Atmen – ein Vorgang, den Laufen bewusster machen kann –, steht innerhalb der benediktinischen Klostermauern von St. Lambrecht in der Schule des Daseins als ein Seminarangebot am Programm. „Atem holen – zur Ruhe kommen – Kraft schöpfen“, ist das Ziel der Atemschule der Atemtherapeutin Barbara Erschen. Atmen hat für Erschen eine über das physiologisch Notwendige hinausgehende Funktion. „Atem ist nicht etwas einseitig Körperliches, sondern zugleich ein seelisch-geistiger Vorgang. Er eröffnet uns Menschen eine Beziehung zur Umwelt, eine Verbindung zwischen Innen und Außen.“ Richtiges Atmen sei eine Kraftquelle, die es ermöglicht, im Alltag angemessener zu reagieren und zu handeln. Mit einfachen Atem- und Bewegungsübungen werde das eigene Atemgeschehen bewusst gemacht. Einheiten der Atem-Schweige-Meditation würden zudem den Prozess unterstützen, sich in seiner „Ganzheit“ mehr zu erfahren. Eine Ganzheit, die mehr ist als die Summe ihrer Teile.

 

Daneben bieten viele Orden auch Klostermedizin an. Sie ist ein Teil der mittelalterlichen Medizin und basiert vor allem auf der Phytotherapie, der Verwendung von Heilpflanzen als Medizin. Seit dem Frühmittelalter waren es die Klöster, in denen Medizin betrieben wurde. Mönche und Nonnen verfügten über grundlegende Kenntnisse zur Heilwirkung von Kräutern und Pflanzen.

 

Schon bei der Gründung des ersten Ordens und der Entstehung der ersten Klöster spielte die Medizin eine wichtige Rolle: Benedikt von Nursia legte in seiner berühmten Ordensregel für die Benediktiner fest, dass die Krankenpflege eine wichtige Aufgabe sei, für die ein eigener Raum einzurichten wäre mit einem eigens dafür geschulten Mönch. Wie beispielsweise ein Klostergarten richtig anzulegen ist, zeigt der Idealtypus im St. Galler Klosterplan, demzufolge für jede Heilpflanze ein eigenes Beet angelegt werden soll. Es handelt sich um 24 Pflanzen, die ein Abt im 9. Jahrhundert in einem Lehrgedicht genau beschrieben hat. Zu den Heilpflanzen gehörten unter anderem Salbei, Wermut, Fenchel und Schlafmohn, Flohkraut und Rettich, Minze und Liebstöckel.

 

 

Der Autor: Martin Link ist Journalist mit den Schwerpunktthemen Wirtschaft, Gesundheit und Medizin. Er ist Chefredakteur der Steiermark-Redaktion der Zeitung Österreich.

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