Wenn die Sprache nicht ausreicht

Für den Autor und Globalisierungskritiker Christian Felber ist Tanz „eine der schönsten Formen der Kooperation“. Foto: Rita Newman
Für den Autor und Globalisierungskritiker Christian Felber ist Tanz „eine der schönsten Formen der Kooperation“. Foto: Rita Newman

 

Christian Felber ist Globalisierungskritiker, Aktivist und politischer Buchautor. Jetzt arbeitet er gerade mit vielen an der Gründung einer „guten Bank“. Was wenige wissen: Er ist auch Tänzer. Denn die Kommunikation mit Wort und Schrift ist ihm eigentlich suspekt, ist für ihn unvollkommen und missverständlich. Tanz sei effektiver und hilfreicher, sagt er.

 

Von Martin Rümmele

Er arbeitet viel mit dem Kopf, hat zahlreiche Bücher geschreiben und mitgeschrieben, die ein neues Wirtschaftssystem zum Ziel haben, ist gefragter Vortragender und Mitgründer des globalisierungskritischen Netzwerkes Attac, das wiederum aufklären und informieren will. Und dennoch sagt er von sich, dass er „dem Universum der Sprache und Worte stets misstrauisch“

gegenüber steht: „Ich bezeichne es oft als die ineffizienteste, missverständlichste und unvollkommenste Form der Kommunikation.“ Körperliche, emotionale, intuitive, spirituelle Ebenen seien hier effektiver und hilfreicher. Und deshalb tanzt der 38-Jährige. Sooft es geht. Seit dem 20. Lebensjahr, sagt er, seit dem 28. intensiv, drei bis vier Mal die Woche und seit 2004 professionell und privat täglich – „sei es nur im Hotelzimmer am Boden, Bett und Türstock“. Der Kopf werde dadurch „ausgeschaltet“, meint der Vordenker.

 

Wenn er sich längere Zeit nicht bewege, intensiven Körperkontakt erfahre, werde er unrund, unausgeglichen und unglücklich bis depressiv. Durch Tanz gehe das weg. „Wenn ich am Vormittag tanze, geht es mir zu Mittag so gut, dass es mir bis zum Abend nicht mehr schlecht gehen kann.“ Felber ist überzeugt: Seine geistige Produktivität vervielfacht sich, ebenso die Analyseschärfe - „weil sie ganzheitlicher wird“.

 

Derzeit beschäftigt ihn ein Großprojekt, das der theoretischen Arbeit etwas Praktisches folgen lassen soll: die Gründung einer Bank, einem richtigen Geldinstitut. Felber: „Der unmittelbare Anlassgeber war Josef Ackermann, Chef der Deutschen Bank, der er am Höhepunkt der jüngsten Finanzkrise im Dezember 2008 die Einrichtung öffentlicher ,bad banks‘ forderte.“ Dort sollten die schlechten Kreditrisiken der großen Banken gebündelt und von der Öffentlichkeit getragen werden, damit die solcherart befreiten Finanzmarktplayer ihr Spiel von neuem beginnen könnten. Da rief das globalisierungskritische Netzwerk Attac, das Felber vor zehn Jahren in Österreich mitgegründet hat, nach „good banks“. Solche Banken sollen vielerorts auf lokaler Ebene wieder ihre Kernfunktionen erfüllen, und sich nicht an zerstörerischen Spekulationsblasen beteiligen, beschreibt Wilhelm Zwirner, Geschäftsführer von Attac Österreich: „Es werden menschliche Kontakte gepflegt werden, in dem das Finanzsystem wieder den Menschen dient, und nicht das nächste verkaufte Produkt im Vordergund steht. Dadurch sollen die Banken Multiplikatoren des Gemeinwohls sein.“

 

Man habe eineinhalb Jahre lang nachgedacht und das Modell der „Demokratischen Bank“ entwickelt, erzählt Felber: „Es wurde im April 2010 bei der AktivistInnenversammlung von Attac verabschiedet.“ Gleichzeitig beschloss Attac aber, die Bank nicht selbst zu gründen, sondern die überparteiliche und überkonfessionelle Zivilgesellschaft aufzurufen, die Gründung selbst in die Hand zu nehmen. Felber lud im Juni 2010 zu einem ersten Treffen, und seither wächst der Kreis der Mitmachenden und Unterstützenden stetig. Im engeren Team arbeiten schon über 100 Menschen, erzählt er, 2.500 Menschen unterstützen das Projekt, mehr als eine Million Euro Gründungskapital sei bereits zugesagt. „In acht Arbeitskreisen engagieren sich Menschen aus allen Berufsgruppen, jeden Alters, und viele erfahrene BankerInnen und UnternehmerInnen sind ebenfalls im Team. Nach dem Abschluss des Visionsprozesses geht es jetzt an die Strategie und an den Geschäftsplan.“

 

Felber selbst geht es dabei, wie auch bei seiner ganzen Arbeit, nicht um Erfolg, wie er sagt. „Es ist der Sinn, der mich antreibt, und die Freiheit, das zu tun, was ich für richtig halte.“ So werde er unabhängig vom Erfolg, weil der nie das Ziel, sondern nur der Nebeneffekt ist. „Allein das Privileg, das zu leben und dafür einzutreten und mit anderen zu verwirklichen, wofür mein Herz brennt, macht mich glücklich.“ Deshalb habe er Tanz gewählt, um sich körperlich zu betätigen und keine anderen Sportarten. Die meisten seien ihm zu grob gewesen und zu sehr vom Wettbewerb geprägt. „Wenn man versucht, gegeneinander zu tanzen, geht es nicht. Erst durch größtmögliche Empathie, Intuition und Präsenz entsteht ein flüssiger, stimmiger, spontaner gemeinsamer Tanz. Tanz ist eine der schönsten Formen der Kooperation.“

 

 

 

Attac sucht nach Alternativen

 

Attac ist eine internationale Bewegung, die sich für eine demokratische und sozial gerechte Gestaltung der globalen Wirtschaft einsetzt. Der Name hat nichts mit attackieren zu tun, wie manche Kritiker dem Netz vorwerfen, sondern ist eine Abkürzung und steht für „Association pour une taxation des transactions financières pour laide aux citoyens“, zu Deutsch „Vereinigung zur Besteuerung von Finanztransaktionen zugunsten der Bügerinnen und Bürger“.

 

Der Hintergrund: Einer kleinen Gruppe von Gewinnerinnen und Gewinnern steht eine große Mehrheit von Verliererinnen und Verlierern gegenüber. Die Freiheit vor allem von Investoren gehe zu Lasten der sozialen Gerechtigkeit, Gesundheit, Umwelt, der kulturellen Eigenständigkeit und zu Lasten der Frauen. Die Mitglieder des Netzwerkes, das in Österreich nun schon seit zehn Jahren besteht und vor 12 Jahren in Frankreich gegründet worden ist, wollen negative wirtschaftliche Entwicklungen aufzeigen und Alternativen bieten.

 

„Attac setzt sich auf vielen Ebenen für ein gerechtes, sozial und ökologisch nachhaltiges Wirtschaftssystem ein“, beschreibt Obfrau Alexandra Strickner. Dazu gehöre beispielsweise eine stärkere Kontrolle der Finanzmärkte, fairer Handel statt Freihandel, gesetzliche Regeln für transnationale Konzerne, eine umfassende Entschuldung der ärmsten Länder, ein faires Steuersystem und die Demokratisierung anstelle der Privatisierung öffentlicher Dienstleistungen. Dabei setzt das Netzwerk vor allem auf Information und Aufklärung. www.attac.at

 

 

 

Webtipps:

www.demokratische-bank.at, www.christian-felber.at

 

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