Wechsel in Balance

Hormonyoga: Eine Praxisstunde mit Dinah Rodrigues. Spezifische Übungen sollen den Östrogenhaushalt beeinflussen, Beschwerden in den Wechseljahren lindern. Foto:Adrian Elsener
Hormonyoga: Eine Praxisstunde mit Dinah Rodrigues. Spezifische Übungen sollen den Östrogenhaushalt beeinflussen, Beschwerden in den Wechseljahren lindern. Foto:Adrian Elsener

 

Es ist wie eine Fahrt mit der Hochschaubahn. Allein - man selbst ist die Bahn, während die Hormone rauf und runter düsen. Viele Frauen fürchten die Wechseljahre. Hormonyoga verspricht, Beschwerden zu lindern.

Von Christiane Mähr

An einem Tag kombiniert die Übersetzerin Birgit so genannte „âsanas“, das sind klassische Yogastellungen, mit der indischen Atemübung „bhastrikâ“. An einem anderen Tag setzt sie die Übungsserie aus Energielenkungen und verschiedenen symbolischen Handgesten, den so genannten „mudras“ und „bandhas“, zusammen. Mindestens zwei Mal in der Woche nimmt sie sich eine halbe Stunde Zeit, um so genanntes Hormonyoga zu praktizieren und um sich und ihrem Körper Respekt zu zollen. Die Übersetzerin ist mit ihren 44 Jahren zwar noch nicht in den Wechseljahren, aber davon überzeugt, diese positiv zu erleben: „Die Menopause wird meist als Problem dargestellt, was sie meiner Meinung nach aber nicht ist. Ich sehe darin viel eher eine ganz normale Phase des weiblichen Lebens.“

 

Anfang der 1990er-Jahre entwickelte Dinah Rodrigues diese spezielle Yogatechnik. Damals war die aus São Paulo stammende Yogatherapeutin und Psychologin 63 Jahre alt. Oder vielmehr jung, denn sie war sehr gesund für ihr Alter. Wechseljahrbeschwerden kannte die Brasilianerin nicht, was sie auf ihren gesunden Lebensstil und Hatha-Yoga zurückführte: „Ich schlug meinem Gynäkologen vor, eine Übungsserie für Frauen in den Wechseljahren zu organisieren. Er war begeistert.“ Und so kam es, dass Dinah Rodrigues die Hormonelle Yogatherapie begründete: ein Übungskonzept, welches das Hormonsystem und die damit verbundenen Organe wie Hypophyse, Schilddrüse, Nebennieren und insbesondere die Eierstöcke anregen und in Balance bringen soll. Anders gesagt: Hormonyoga will hormonell bedingte Wechseljahrbeschwerden positiv beeinflussen. Das sollen nicht nur Erfahrungsberichte sondern auch Untersuchungen zeigen.

 

Die Hormonelle Yogatherapie setzt sich aus verschiedenen Aufwärmübungen und rund 20 Körper- und Konzentrationsübungen zusammen, die dynamisch ausgeführt und mit speziellen Atemtechniken kombiniert werden. „Ich wählte einige âsanas aus dem traditionellen Hatha-Yoga, aber auch aus dem Kundalini-Yoga, adaptierte und veränderte diese ein wenig, um sie effektiver zu machen und somit die Hormonproduktion anzuregen. Ich fügte außerdem mudras und eine tibetische Energietechnik hinzu, um den Effekt der prânâyâmas und der âsanas zu verstärken“, erklärt Rodrigues.

 

Auch seelisches Wohlbefinden wird gesteigert

Frauen, die Hormonyoga machen, berichten, dass klassische Wechseljahrbeschwerden wie Hitzewallungen merklich abnehmen oder gar gänzlich ausbleiben. Viele bemerken, dass ihr Körper reagiert, dass sie ausgeglichener sind. Die Mehrzahl ist begeistert – so wie Birgit: „Hormonyoga erhöht die Gelenkigkeit. Man bewegt sich im Alltag geschmeidiger. Außerdem wird das seelische Wohlbefinden enorm gesteigert. Nach der halben Stunde ist man einfach gut gelaunt. Auch durch die spezielle Form des Atmens ergibt sich eine größere Grundgelassenheit.“

 

Jedoch: Hormonyoga wirkt nicht bei allen wahre Wunder. Das mag – so die Befürworter – daran liegen, dass manche Frauen einfach nicht bereit dafür sind. Es kann aber auch sein, dass diese Frauen das Programm nicht regelmäßig, wenn möglich sogar täglich, und über einen längeren Zeitraum durchführen. Dinah Rodrigues selbst habe immer nur positive Rückmeldungen bekommen. Und nach über zwei Jahrzehnten gibt es deren viele. Die genaue Zahl kennt die Frau, die im Mai ihren 84. Geburtstag feierte, zwar nicht, doch sie argumentiert mit der anhaltenden Nachfrage nach ihren Kursen seit 21 Jahren.

 

Angespornt durch die guten Ergebnisse, entschloss sich Rodrigues bereits 1993 zu einer wissenschaftlichen Forschungsarbeit. Sie wollte nachweisen, dass Hormonyoga einen Anstieg des Hormonspiegels und eine Verminderung der Wechseljahrsbeschwerden bewirkt. Vor Beginn der Studie, die über einen Zeitraum von vier Monaten lief, wurde bei 21 von insgesamt 66 Teilnehmerinnen ein Bluttest durchgeführt, um den Ist-Wert des Östrogenspiegels zu ermitteln. Am Ende der Studie wurde dieser Test wiederholt. Einen Fragebogen zur Beurteilung der Intensität ihrer Symptome füllten alle Teilnehmerinnen, deren Durchschnittsalter bei 47 Jahren lag, aus, und zwar monatlich.

 

„Die Untersuchung ergab sehr gute Resultate. Bei 100 Prozent der Teilnehmerinnen waren die Symptome nach drei bis vier Monaten Übungspraxis ohne Medikamente beseitigt, oder, wenn sie noch irgendein Symptom verspürten, so war dessen Intensität nahe Null“, ist auf der Website von Dinah Rodrigues zu lesen. Um nur ein paar Ergebnisse herauszupicken: Bei einer Übungsdauer von 30 Minuten an 16 Tagen pro Monat stieg der Hormonspiegel durchschnittlich um 234 Prozent innert vier Monaten an. Auch emotionale Symptome wie Reizbarkeit, Antriebslosigkeit, aber auch depressive Verstimmungen verschwanden. Bei allen Teilnehmerinnen, die noch nicht im Wechsel waren und mitunter am Prämenstruellen Syndrom litten, verloren auch die damit zusammenhängenden Beschwerden wie Migräne an Intensität oder verschwanden gänzlich nach wenigen Monaten.

 

Sowohl Gegner als auch Befürworter

Die Ergebnisse der von Dinah Rodrigues durchgeführten Studie sind also positiv. Doch es gibt auch Mediziner und Yogalehrer, die skeptisch sind gegenüber der Hormonellen Yogatherapie und vor allem gegenüber den erwähnten Studienergebnissen. Zu den wohl schärfsten Kritikern zählen Imogen Dalmann und Martin Soder vom „Institut Yoga Individuell“ in Berlin. Unter anderem konstatieren sie, dass die Verbesserung der Wechseljahrbeschwerden nicht durch einen Anstieg des Östrogenspiegels belegbar sei. Entgegen der Behauptung der Berliner besteht laut lebensweise-Fachbereit Leo Auerbach, Oberarzt der Universitätsfrauenklinik am AKH Wien, sehr wohl ein Zusammenhang zwischen Wechseljahrbeschwerden und Absinken des Östrogenspiegels: „Allerdings hängen die Beschwerden auch von Progesteron und anderen Hormonen ab.“  Auch Ruth Blattner hat sich in einem eigenen Studienprojekt mit der Hormonellen Yogatherapie nach Dinah Rodrigues auseinandergesetzt (siehe Interview Seite 32). Blattner betreibt seit 2004 im Schweizer Ermatingen am Bodensee nahe Konstanz eine Yogaschule. Zusammen mit Rolf-Dieter Hesch, Professor für Endokrinologie an der Medizinischen Hochschule Hannover und Professor für Biologie an der Universität Konstanz, untersuchte die diplomierte Yogalehrerin und zertifizierte Hormonyogalehrerin 2007 die Wirkungen dieser speziellen Übungspraxis. Ebenso wie im Rahmen der Studie von Dinah Rodrigues wurden Bluttests durchgeführt und Fragebögen an die Teilnehmerinnen und Teilnehmer ausgehändigt. Dass Blattner auch Männer einbezog, ist einer der wesentlichen Unterschiede zur Studie von Dinah Rodrigues. Ausschlaggebend dafür war, dass sie sich wenige Jahre zuvor intensiv mit der Thematik Burnout beschäftigt hatte: „Da bei einem Burnout sehr häufig ein tiefer Testosteronspiegel beobachtet wird, interessierte es mich sehr, ob sich das Hormonsystem auch bei den Männern durch die spezielle Yogapraxis stimulieren lassen würde“, erklärt Blattner.

 

Obwohl die Studie nicht den Kriterien der evidence based medicine genügte – unter anderem deshalb, weil lediglich zehn Frauen und acht Männer die drei Monate andauernde Untersuchung beendeten –, zeigte sie recht deutlich, dass sich Hormonyoga bei manchen Frauen stimulierend auswirkt, ähnlich einer niedrig dosierten Hormonersatztherapie. „Gleichzeitig“, räumt die Schweizerin ein, „belegt die Untersuchung, dass nicht alle Frauen auf Hormonyoga reagieren. In einigen Fällen haben sich die Wechseljahrbeschwerden sogar verstärkt.“ Bei den männlichen Probanden konnte übrigens kein Nachweis erbracht werden, dass sich die Hormonelle Yogatherapie positiv auf deren Testosteronspiegel auswirke.

 

Auch bei ihren Kursen lernt Ruth Blattner immer wieder Frauen kennen, die Hormonyoga als sehr positiv empfinden. Aber eben auch solche, die keine Resonanz spüren. Dennoch hält sie diese Art von Yoga für eine kraftvolle Praxis: „Vielleicht gehen die Wallungen nicht zurück, aber es kann auch einen ganz anderen Effekt haben. Vielleicht wird man aber beweglicher, gelenkiger und steht dadurch dann ganz anders im Leben.“

 

Und es werden immer mehr

Dass Hormonyoga derart unterschiedlich wirkt, respektive in manchen Fällen sogar nicht wirkt, hängt nicht zuletzt damit zusammen, dass das Hormonsystem überaus komplex und mit vielen anderen Faktoren vernetzt ist. „Der Östrogenspiegel ist individuell extrem unterschiedlich und mit hohen zyklusbedingten Schwankungen verbunden“, erklärt auch Leo Auerbach. Geht es nach Ruth Blattner sind deshalb für angehende Hormonyogalehrerinnen Grundkenntnisse über das weibliche Hormonsystem unerlässlich, ebenso über die menschliche Anatomie: „Die von Dinah Rodrigues entwickelten Übungen müssen angepasst werden, wenn sich Übende schwer tun. Dies setzt allerdings ein fundiertes Verständnis sowohl von Hormonyoga als auch von der Yogapraxis an sich voraus.“ Vor wenigen Jahren strukturierte Blattner in Zusammenarbeit mit der Begründerin die  Hormonyoga-Lehrerausbildung in der Schweiz neu. Seither wird in der „Lotos-Yogaausbildungsschule“ in Zürich und Basel ein zehnmonatiger Lehrgang mit abschließender Prüfung angeboten.

 

Petra Haag aus Lustenau in Vorarlberg ist eine von über 70 Hormonyogalehrerinnen und -lehrern in Österreich: „Durch diese spezielle Yogatechnik kann ich Frauen Wege abseits der klassischen Schulmedizin aufzeigen. Dies und die Aktivierung der Selbstheilungskräfte im eigenen Körper ist mir ein großes Anliegen.“ 2008 ließ sie sich im Rahmen eines über mehrere Tage andauernden Seminars ausbilden – auch dies eine Möglichkeit, das Zertifikat „Hormonyogalehrerin“ zu erhalten. Abgehalten werden diese Workshops von Dinah Rodgrigues selbst: „Trotz meiner mittlerweile 84 Jahre fühle ich mich so gesund und voller Energie, dass ich rund um die Welt fliegen kann, um Seminare und Workshops zu geben.“ Ja, sie ist, um es mit den Worten von Ruth Blattner auszudrücken, „eine imponierende Persönlichkeit und der lebendige Beweis für die Wirksamkeit ihres Yogakonzeptes“.

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Kommentare: 1
  • #1

    Personal Trainer - Fitness (Mittwoch, 13 März 2013 19:56)

    Ein sehr gelungener Artikel über die Wichtigkeit der Bewegung und Balance!
    Jeder Mensch ist deshalb immer wieder den Körper und Geist in Balance zu bringen.
    Das Motto heißt, durch Bewegung ins ganz persönliche Gleichgewicht zu kommen. TOPCoaching beratet und unterstützt Sie auf Ihren Weg zum Gleichgewicht.
    Ihr TOP Coaching Team